Pressespiegel 2018

Der Schlepper. Magazin für Migration und Flüchtlingssolidarität in Schleswig-Holstein (Nr. 83 – Frühjahr 2017):

Entschädigungsmöglichkeiten nach einem rechten Angriff: Wie können Betroffene finanzielle Unterstützung bekommen?

 von Kai Stoltmann

 

Logo vom "Schlepper"

 2018 sind beim Bundesamt für Justiz mehr als 196 Anträge von Opfern rechtsextremistischer Gewalt auf Gewährung von Härteleistungen eingegangen. “Fast 9 von 10 eingegangen Anträgen (beim Bundesamt für Justiz) haben einen rechtsextremen Hintergrund,” meint dazu der Bundestagsabgeordnete Danyal Bayaz. “Rechtsextremismus bleibt die häufigste erfasste Form extremistischer Übergriffe.” Neben den Hilfeleistungen durch das Bundesamt für Justiz sind Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld und Zahlungen gemäß dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) für Betroffene weitere Möglichkeiten, nach einem rechten Angriff finanzielle Unterstützung zu erhalten.‭ Was davon im jeweiligen Fall am aussichtsreichsten erscheint, ist von der individuellen Situation abhängig. Hinsichtlich der geeigneten Entschädigungsform und dem richtigen Zeitpunkt der Antragsstellung sollten Sie mit den Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeitern von zebra – Zentrum für Betroffene rechter Angriffe sprechen, die Ihnen auch beim Stellen des Antrags behilflich sein können.

 

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Schadensersatz und Schmerzensgeld

Die bekannteste Entschädigung ist wohl die Zahlung von Schadensersatz oder Schmerzensgeld. Ihren Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld müssen Sie zunächst in einem Gerichtsverfahren geltend machen.‭ Da es sich um eine Angelegenheit zwischen zwei Privatpersonen handelt, werden diese Ansprüche in einem Zivilprozess verhandelt. Gelingt es Ihnen, in diesem Prozess Ihre Ansprüche geltend zu machen, erlangen Sie durch das Urteil zunächst einen Rechtstitel, der gegen die Täterinnen bzw. Täter durchgesetzt werden muss, wenn diese nicht freiwillig zahlen. Bekommen Sie von einem Zivilgericht diesen Rechtstitel, müssen die Verurteilten auch für die Prozesskosten aufkommen. Häufig scheitert eine Vollstreckung des Rechtstitels allerdings an der eingeschränkten Zahlungsfähigkeit der Täterinnen bzw. Täter. Dies bedeutet, dass Sie trotz Rechtstitel nicht nur ihre Anwaltskosten, sondern unter Umständen auch andere Verfahrenskosten (wie zum Beispiel die Kosten für Gutachten) tragen müssen.
Vor allem hinsichtlich Klagen in einem Zivilprozess sollten Sie vorab‭ die Beratung eines zivilrechtlichen Rechtsbeistandes in Anspruch nehmen und mit diesem eine Chancen-Nutzen-Abwägung vornehmen.

Entschädigungszahlung durch das Bundesamt für Justiz

Das Bundesamt für Justiz verfügt seit Anfang‭ 2007 über einen vom Deutschen Bundestag eingerichteten Fonds, um Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Angriffe schnell und unbürokratisch zu entschädigen. Um durch das Bundesamt für Justiz entschädigt zu werden, muss ein entsprechender Antrag gestellt werden.
Diesen Antrag können alle Personen‭ stellen, die durch einen rechten, antisemitischen oder rassistischen Angriff gesundheitliche Schäden erlitten haben. Außerdem sind Hinterbliebene von Todesopfern solcher Angriffe und Nothelfende antragsberechtigt, also Menschen, die bei der Abwehr eines solchen Angriffs auf Dritte verletzt wurden. Als Angriff werden vom Bundesamt für Justiz nicht nur Körperverletzungen oder ähnliches, sondern auch Fälle von Bedrohung oder Ehrverletzung verstanden. Eine Entschädigung für einen entstandenen Sachschaden ist dagegen nicht möglich.
Neben dieser Antragsberechtigung müssen weitere Voraussetzungen erfüllt sein.‭ So muss die Straftat mit einer hohen Wahrscheinlichkeit aus antisemitischen, rassistischen oder rechten Motivationen erfolgt sein. Dabei ist allerdings keine Ermittlung der Täterinnen bzw. Täter zwingend erforderlich, jedoch muss der Angriff angezeigt worden sein.
Der entsprechende Antrag ist ein standardisierter Schriftsatz,‭ den Sie ausfüllen und an das Justizministerium schicken müssen. In dem Antrag müssen Sie zunächst Daten zu Ihrer Person angeben.‭ Außerdem ist eine detaillierte Schilderung des Tathergangs notwendig. Ähnlich wie bei Ihrer Aussage vor den Ermittlungsbehörden oder dem Gericht sind Tatzeit und Tatort sowie Details des Tathergangs so genau wie möglich zu beschreiben. Außerdem müssen Sie darlegen, welche Umstände für die Bewertung der Tat als rechten Angriff sprechen. Die erlittenen Verletzungen müssen ebenfalls dargestellt werden. Es empfiehlt sich, Atteste, Arztrechnungen sowie Fotos der sichtbaren Verletzungen dem Antrag beizufügen. Des Weiteren müssen Sie die Dienststelle, bei der Sie den Vorfall angezeigt haben, sowie die Tagebuchnummer in dem Formular angeben.
Der Antrag kann unmittelbar nach einem Angriff und dessen Anzeige gestellt werden.‭ Es empfiehlt sich, zunächst den Gerichtsprozess abzuwarten, sofern abzusehen ist, dass dort die Tatmotivation stärker herausgearbeitet wird.
Entscheiden Sie sich für einen Antrag,‭ darf das Bundesamt für Justiz Einsicht in die Akten bei der Polizei und Staatsanwaltschaft nehmen, um Ihre Angaben zu überprüfen. Vor allem ist mit dem Antrag auch eine sogenannte Abtrennung des Schmerzensgeldanspruchs verbunden. Sie, als geschädigte Person, treten Ihren Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe der bewilligten Summe an das Bundesministerium für Justiz ab. Wird ihr Antrag angenommen, so wird das Bundesamt für Justiz versuchen, die Ihnen gezahlte Summe gegenüber den Täterinnen bzw. Tätern einzuklagen.
Auch nach so einer Entschädigungszahlung können Sie im Rahmen eines Zivilprozesses Ihre Ansprüche auf Schmerzensgeld gegenüber den Täterinnen bzw.‭ Tätern geltend machen. Dieser Weg ist allerdings nur unter bestimmten Umständen sinnvoll. Können Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass Sie in dem Prozess das Recht auf eine höhere Summe zugesprochen bekommen und sind Sie bereit, das finanzielle Risiko eines solchen Weges zu tragen, sollten Sie über eine anschließende Zivilklage nachdenken. Sofern Sie vor Gericht eine höhere Summe zugesprochen bekommen, müssen Sie zunächst die bereits vom Bundesamt für Justiz erhaltene Summe zurückzahlen.

Das Opferentschädigungsgesetz

Während für die Entschädigungszahlungen des Bundesamts für Justiz ein rechter Tathintergrund vorliegen muss,‭ können die Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) von Personen in Anspruch genommen werden, die durch eine Straftat gesundheitlich geschädigt worden sind.
Haben Sie durch den Angriff gesundheitliche Schäden erlitten,‭ können Sie einen Antrag nach dem OEG stellen. Dies ist sinnvoll, wenn ihre körperlichen Schäden auch in Zukunft eine medizinische Versorgung notwendig machen. Ein Beispiel hierfür sind wiederholte Zahnarztbesuche, weil ihre Zähne durch den Angriff nachhaltig beschädigt wurden. Das OEG gilt dabei ausschließlich für gesundheitliche Schäden und kommt nicht für Sachschäden auf.‭ Sobald Ihr Antrag positiv entschieden wurde, werden sämtlich Kosten, die für die medizinische Behandlung anfallen, vom Bundesamt für Soziales und Versorgung übernommen. Gleichzeitig ersetzt der Antrag keine Forderungen gegenüber den Täterinnen bzw.‭ Tätern auf Schmerzensgeld. Vielmehr ist das OEG Teil der sozialstaatlichen Aufgaben der Bundesrepublik Deutschland.
Einen Antrag können alle Menschen stellen,‭ die körperliche Schäden durch eine Straftat erlitten haben. Ebenso können Personen, die bei der Abwehr eines Angriffs auf Dritte zu Schaden gekommen sind, einen solchen Antrag stellen. Da es sich im weitesten Sinne um eine Sozialleistung handelt, können alle Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft, Bürgerinnen bzw. Bürger aus den Mitgliedsländern der Europäischen Union, sowie Menschen, die sich „rechtmäßig“ in Deutschland aufhalten, diese Leistungen erhalten.
Dementsprechend können einige Geflüchtete aufgrund ihres Aufenthaltsstatus keine Leistung nach dem OEG erhalten.‭ Häufig haben die zuständigen Sachberarbeiterinnen bzw. Sachbearbeiter einen gewissen Ermessensspielraum. Aus diesem Grund sollten Sie im Zweifel immer einen Antrag auf Leistungen nach dem OEG stellen.
Im Alltag können solche Entschädigungsmöglichkeiten für die Betroffenen von rechten Angriffen eine konkrete Hilfe darstellen. Umso wichtiger ist es, dass Betroffene finanzielle Unterstützung erhalten. Dies wird sich auch in Zukunft kaum ändern. “Die Schadenszahlungen des Bundes für Opfer rechtsextremistischer Gewalt bleiben auf hohem Niveau und zeigen, dass Gewalt durch Rechtsextremisten keine Randerscheinung ist.” so Danyal Bayaz.
(https://www.frsh.de/fileadmin/schlepper/schl_91/Schlepper-91-56.pdf)

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Flensburger Tageblatt (17.10.2018)

NSU-Ausstellung in Flensburg : Schautafel im Rathaus beschmiert

Die rechtsmotivierte Botschaft wurde bereits vor der Eröffnung auf eine der Tafeln gekritzelt.

Die Ausstellung „Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen“ im Flensburger Rathaus ist Opfer von rassistischen Schmierereien geworden. Wie erst jetzt bekannt wurde, fand die Tat wenige Stunden vor der Eröffnung am 2. Oktober statt. Auf eine der Schautafeln wurde mit schwarzer Schrift das Wort „Bomb“ geschrieben. „Angesichts der Tatsache, dass der NSU auch für mehrere Bombenanschläge verantwortlich ist, ist dies sicher kein Zufall“, erklärt Kai Stoltmann, Berater bei „Zebra – Zentrum für Betroffene rechter Angriffe“. Die beschmierte Schautafel befasste sich mit dem Schicksal der Opfer des NSU.

 

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Die Botschaft wurde zunächst durch einen Zettel mit der Aufschrift „Kein Platz für Rassismus“ überdeckt. Am Montag konnte die beschädigte Tafel schließlich durch einen Nachdruck ersetzt werden, wodurch jedoch zusätzliche Kosten für die Organisatoren entstanden sind. Von Stoltmann wird die Situation folgendermaßen beschrieben: „Auch in Schleswig-Holstein kommt es immer wieder zu rechten und rassistischen Gewalttaten. Es ist wichtig, dass die Gesellschaft die Opfer solcher Taten nicht allein lässt und Mitgefühl mit den Hinterbliebenen zeigt. Die Ausstellung stellt einen wichtigen Beitrag zur Erinnerung an die Opfer des NSU dar.“ Auf 24 Schautafeln werden die Biografien der Todesopfer thematisiert und das Netzwerk des NSU beleuchtet. Die Wanderausstellung wurde seit 2013 bereits an über 170 Orten bundesweit gezeigt.
Nach Flensburg holten sie das Regionale Beratungsteam gegen Rechtsextremismus der AWO und „Zebra – Zentrum für Betroffene rechter Angriffe“. Die Ausstellung kann noch bis zum 24. Oktober von Montag bis Freitag in der Zeit von 8.30 bis 17 Uhr in der Bürgerhalle des Rathauses in Flensburg besucht werden. Parallel startet am 18. Oktober in der UCI-Kinowelt in Flensburg die Film- und Gesprächsreihe „Wir müssen reden…! Über Rassismus!“.
Ein Zusammenschluss von Aktiven aus der Flüchtlingshilfe, den Mitarbeitern des Beratungsteams gegen Rechtsextremismus und Akteuren der Zivilgesellschaft möchte im Rahmen der „Interkulturellen Wochen“ zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Rassismus einladen.
(https://www.shz.de/lokales/flensburger-tageblatt/schautafel-im-rathaus-beschmiert-id21360627.html)

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Schleswig-Holstein Magazin (16.7.2018)

Kommunalpolitiker trotzen Anfeindungen

Vorne am Schaltknüppel liegt eine Dose Pfefferspray. Zwischen Fahrer- und Beifahrersitz ragt ein langer Holzstock hervor. Diese Sachen geben Aylin Cerrah das Gefühl von Sicherheit, wie sie sagt. Die 20-Jährige ist Juso-Kreisvorsitzende in Plön und eigentlich eine fröhliche junge Frau, die gerne lacht und redet. Ihre Familie kommt aus der Türkei, sie selbst ist in Schleswig-Holstein geboren, hat hier vor zwei Jahren ihr Abitur gemacht. Gegen Rassismus, für Toleranz und Vielfalt – dafür steht sie. Für einige ist sie eine meinungsstarke Muslima mit deutschem Pass, eine Nachwuchshoffnung für die SPD. Für andere ist sie ein Feindbild.

 

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E-Mails und Anrufe mit Drohungen

Vor einem Jahr erreichen sie E-Mails, ihre Parteimitglieder seien Linksfaschisten. “Patriotische Bürger” melden sich zu Wort, “sorgen” sich um “die Reinheit des Volkes”. Als Aylin Cerrah sich eines Abends von ihrem Freund verabschiedet und mit ihrem Auto nach Hause fährt, klingelt ihr Handy. Jemand droht ihr, dass man sie und ihre Kolleginnen “abschlachten” werde. “Ich saß einfach nur da und war schockiert. Ich habe das in dem Moment nicht verstanden, warum mich jemand so sehr hasst, dass er mir den Tod wünscht, obwohl man die Person nicht kennt”, erzählt die Politikerin zurückblickend.
Als sie an jenem Abend zu Hause ankommt, leuchtet ihr Handy-Display noch einmal, noch ein Anruf. Sie geht ran und stellt auf laut. Ihre Mutter und deren Freundinnen hören mit. Das ist wichtig, denn so hat sie jetzt Zeuginnen. Aylin Cerrah wird wüst beschimpft. Sie erstattet Anzeige gegen Unbekannt bei der Polizei.

“Wir werden ihr Haus verwüsten”

Baris Karabacaks politische Heimat ist die CDU, seine Heimatstadt ist Pinneberg, wie er sagt. Denn seine aus der Türkei stammende Familie lebt hier mittlerweile in der dritten Generation. Karabacak, der in Hamburg Betriebswirtschaftslehre studiert hat, fühlt sich hier wohl und will auch nicht woanders hin.
Seit 2013 sitzt er im Pinneberger Kreistag. Baris Karabacak ist das erste Mitglied im CDU-Landesvorstand mit Migrationshintergrund. Probleme aufgrund seiner türkischen Wurzeln kannte er bisher nicht, bis zum diesjährigen Kommunalwahlkampf. Mit Hasskommentaren auf seiner Facebook-Seite fing es an: Er wolle die türkische Sprache in Pinneberg einführen, alle müssten muslimisch werden und Karabacaks Eltern seien Erdogan-Anhänger, zählt er einige von den Kommentaren auf. Mehrere seiner Plakate werden beschmiert, einige liegen zerstört auf der Straße – in seinem Wahlkreis Pinneberg-Nord. Dort, wo er sich zu Hause fühlt, wo er mit Eltern, Bruder und Freunden dicht beieinander lebt. Auch Karabacak erhält anonyme Anrufe, darunter sind auch Drohungen: “Sie dürfen hier keine Politik machen. Sie sind Moslem, sie sind Ausländer, Türke, wir werden ihr Haus verwüsten, wenn sie Pinneberg nicht verlassen.”

Cerrah: War in der Zeit fast paranoid

Für den 30-Jährigen ein Schock. Er unterbricht seinen Wahlkampf und denkt darüber nach, nicht mehr zu kandidieren. “Wenn ich mein Haus verlassen habe, habe ich erst mal rechts und links geguckt, ob da jemand steht, die Polizei ist in meiner Straße Streife gefahren”, erzählt der CDU-Politiker.
Das macht die Polizei auch am Haus von Aylin Cerrahs Eltern. Sie sagt, sie sei in dieser Zeit sehr angespannt gewesen, fast paranoid, ob gleich wieder etwas passiere. “Ich habe noch eine kleine siebenjährige Schwester, und man macht sich halt Sorgen, was ist, wenn sie nach der Schule nicht nach Hause kommt.”

Lübecker Staatsanwaltschaft ermittelt

Physisch bleibt die Familie unversehrt, aber der Psychoterror geht weiter. Ihre Parteimitglieder erhalten eine anonyme E-Mail mit dem Satz: “Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass Frau Aylin Cerrah (…) auf der Strecke von Kiel nach Selent einen schweren Autounfall gehabt hat und (…) den Verletzungen erlegen ist.”
Fassungslos melden sich ihre Parteikollegen bei ihr, die gleich ahnen, dass da etwas nicht stimmen kann. Aylin Cerrah kann mittlerweile gut über die Ereignisse sprechen. Geholfen hat ihr auch das Team von zebra e.V. – eine Anlaufstelle in Kiel für Opfer von rechtsmotivierten Angriffen. Hier konnte sie ihre aufgestauten Emotionen besprechen und sich Rat holen. Der Fall liegt mittlerweile bei der Lübecker Staatsanwaltschaft.

Das Duo macht weiter: Jetzt erst recht

Fast einen Monat lang wurde Aylin Cerrah beleidigt und bedroht, bis es ohne ersichtlichen Anlass aufhörte. Kurz danach hat sie sich für den Vorstand bei den Jusos beworben. Jetzt erst recht, lautet ihre Devise. Sie setzt sich weiterhin für ihre Themen Feminismus und Anti-Rassismus ein. Seit Mai gehört sie sogar zur SPD-Kreistagsfraktion in Plön. Von dem Unbekannten, der sie damals bedrohte, hört sie nichts mehr – “und darüber bin ich auch sehr froh”.
Eine Woche – und das jeden Tag – bekam Baris Karabacak Hass zu spüren. Er hat den Wahlkampf letztendlich durchgezogen. Er stehe für Integration, sagt der 30-Jährige und fügt an, dass er seinen Weg fortsetzen möchte. Baris Karabacak wurde wiedergewählt und sitzt als CDU-Abgeordneter im Pinneberger Kreistag. Er hat noch höhere Ziele – zum Beispiel ein Landtagsmandat 2021.
Link zum Artikel des NDR.(https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Kommunalpolitiker-trotzen-Anfeindungen,hassimnetz100.html)

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Schleswig-Holsteinische Landeszeitung (22.6.2018)

Eine eher abstrakte Rassismus-Diskussion im Juks

„Respekt statt Rassismus – Was wir gegen rechtes Gedankengut und Intoleranz tun können“. Das war das Thema eines Diskussionsabends, zu dem der SPD-Bundestagsabgeordnete Ernst Dieter Rossmann ins Juks eingeladen hatte. Etwa 30 Männer und Frauen kamen.

 

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Auf dem Podium saßen außer Rossmann sein Fraktionkollege Sönke Rix, SPD-Sprecher der Bundestagsfraktion für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Juliane Deppe vom Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus Schleswig-Holstein und Kai Stoltmann vom Zentrum für Betroffene rechter Angriffe (ZEBRA). Der SPD-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Thomas Hölck moderierte die Veranstaltung.
Zunächst wurde über eine Stunde lang referiert. Dabei ging es weniger um Rassismus als um eine rechte bis rechtsextreme Politik. Hölck fand schon in seiner Begrüßung sehr deutliche Worte: In der ganzen Welt seine eine Verschiebung nach rechts zu beobachten. Dazu trügen ein „US-Präsident, der nicht ganz bei Trost ist“ bei sowie die Regierenden in Italien und Österreich. In diesen Ländern und vielen anderen sei bereits die Pressefreiheit in Gefahr. In Deutschland gebe es erste Anzeichen für eine ähnliche Entwicklung. Was Hölck besonders besorgt macht, ist seine Beobachtung, dass sich kaum noch jemand über diesen Trend aufrege.

Hilfe in konkreten Fällen

Deppe und Stoltmann begannen damit, ihre Organisationen ausführlich zu beschreiben. Ihr Fokus sei Hilfe in ganz konkreten Fällen, hoben Sie hervor. Deppes Netzwerk setzt in erster Linie auf Aufklärung und wendet sich dabei an Kommunen, Schulen und außerschulische Jugendbildung sowie an Vereine. Für Einzelpersonen, etwa für Eltern nach rechts abdriftender Kinder, hat das Netzwerk mobile, regionale Beratungsstellen. ZEBRA bietet Beratung und emiotionale Unterstützung der Opfer nach einem Angriff und in Krisensituationen an, offeriert Informationen über rechtliche Möglichkeiten, begleitet zur Polizei, zu Behörden, zu Ämtern, Ärzten und Rechtsanwälten sowie zu Gerichtsverfahren. Zudem gibt es Hinweise zu finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten. Die Organisation vermittelt Beratungs- und therapeutische Angebote, betreibt fallbezogene Öffentlichkeitsarbeit und trägt zur Verbesserung der Lebenssituation nach einem Angriff bei.
Um ihre oftmals traumatisierte Klientel zu schützen, vermieden Deppe und Stoltmann es sorgfältig, Einzelheiten aus ihrer Tätigkeit preiszugeben, aus denen Rückschlüsse auf die Personen möglich gewesen wären. Deshalb blieben ihre Einlassungen stellenweise eher vage.
Rix begann seinen Vortrag mit der Feststellung, es habe seit eh und je einen rechtslastigen Bevölkerungsanteil gegeben. Dessen „allerhässlichste Fratze“ habe er als Beobachter des NSU-Prozesses kennengelernt. Rix bezweifelte, dass der Rechtsdrall in den neuen Bundesländern stärker sei als im Westen Deutschlands. Im Osten fehlten die Widerstandskräfte – wie Kirche, Sozialverbände und andere etablierte Strukturen wie es sie im Westen gibt. Mit Unbehagen registrierte er die wachsende allgemeine Akzeptanz des rechten Spektrums seit der Gründung der Alternative für Deutschland.
Rossmann, der im Bundestag den Ausschuss Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung leitet, ging auf die Aufgabe der Schulen ein, den gegenseitigen Respekt zu Stärken. Extremismus sei menschen- und demokratieverachtend. Er betonte zwar das Recht, „linke“ und „rechte“ Parteien zu bilden und zu unterstützen, wandte sich aber entschieden gegen jede Radikalisierung. Die anschließende Diskussion bestand im Wesentlichen darin, Fragen aus dem Publikum zu beantworten.

Presseartikel aus der shz vom 22.6.2018

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Schleswig-Holsteinische Landeszeitung (17.6.2018)

Diskussion über Rassismus

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ernst Dieter Rossmann lädt für morgen zur Diskussion zum Thema „Respekt statt Rassismus – Was wir gegen rechtes Gedankengut und Intoleranz tun können“ ein. Gemeinsam mit Sönke Rix, SPD-Bundestagsabgeordneter und Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, sowie Juliane Deppe vom Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus Schleswig-Holstein und Kai Stoltmann vom Zentrum für Betroffene rechter Angriffe will der Kreis Pinneberger Abgeordnete die Fragen klären, was man tun kann, was es für Anlaufstellen gibt, wie die Lage im Kreis Pinneberg und im Land ist. „Gerade als Elmshorner habe ich noch vor Augen wie es im vergangenen Winter äußerst hässliche und rassistische Angriffe gegen unseren Lichtermarkt und unseren Weihnachtsengel gab“, sagt Rossmann. Die Veranstaltung beginn um 20 Uhr im Juks in Schenefeld, Osterbrooksweg 25.
(https://www.shz.de/20168757)

Schleswig-Holsteinische Landeszeitung (3.5.2018)

Hilfe für Opfer rechter Gewalt

Vortrag im Kulturcafé über Organisation „Zebra“ stieß auf breites Interesse

Der Referent zog eine düstere Bilanz: „Es gab im vergangenen Jahr etwa 62 schwere rechtsmotivierte und rassistische Angriffe mit 73 Betroffenen in Schleswig-Holstein.“ Die Dunkelziffer sei weit höher. „Opfer sind häufig Flüchtlinge, aber auch Flüchtlingshelfer,“ informierte Kai Stoltmann von der Organisation „Zebra e.V.“ in einem Vortrag im Kulturcafé in Owschlag.
Die Abkürzung „Zebra“ steht für „Zentrum für Betroffene rechter Angriffe”. Stoltmann stellte die vor drei Jahren gegründete Organisation, die von der Bundesregierung gefördert wird, vor: „Wir bieten Beratung und emotionale Unterstützung nach einem Angriff und in Krisensituationen, informieren über die rechtlichen Möglichkeiten und begleiten Opfer, Angehörige oder auch Zeugen zur Polizei, zu Ämtern und Rechtsanwälten“. Das professionelle Beraterteam mit Sitz in Kiel besteht aus Sozialarbeitern, Sozialpädagogen und Politikwissenschaftlern. Es wird Deutsch und Englisch gesprochen, für andere Sprachen werden Dolmetscher organisiert. „Das Angebot ist kostenlos und wir kommen auf Wunsch gerne zu den Betroffenen“, so Stoltmann.
Das Thema rechte Gewalt stieß auf breites Interesse. Sowohl von Seiten der Owschlager Besucher als auch von den syrischen, iranischen und afghanischen Gästen wurden im Anschluss viele Fragen gestellt. Dank der spontanen Übersetzung ins Arabische durch einen Teilnehmer konnten alle dem Vortrag folgen. Auch Informationsschriften in verschiedenen Sprachen verteilte Stoltmann im Anschluss.
Seit drei Jahren treffen sich Owschlager und Asylbewerber vierzehntägig im Gemeindehaus zum Kulturcafé, liebevoll „Ku’kaff“ genannt, um gemeinsam Zeit bei Kaffee und Tee, Gesprächen, gemeinsamen Singen und Spielen zu verbringen. Das nächste Treffen findet am 11. Mai von 15 bis 17 Uhr statt. Der Eintritt ist frei, über Keksspenden freuen sich die Veranstalter.
(https://www.shz.de/lokales/landeszeitung/hilfe-fuer-opfer-rechter-gewalt-id19753356.html)

blick nach rechts (3.4.2018)

Rechte Gewalt im hohen Norden

In Schleswig Holstein kam es im vergangenen Jahr fast an jedem fünften Tag zu einem rechtsmotivierten und rassistischen Angriff. Das ist das Ergebnis der Monitorings des „Zentrum für Betroffene rechter Angriffe“ (zebra).

 

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Die Zahl der Angriffe auf Flüchtlinge, die seit dem Sommer 2015 deutlich zugenommen hat, hält sich auch in Schleswig Holstein auf einem hohen Niveau. Zu diesem Schluss kommen die Mitarbeiter des „Zentrums für Betroffene rechter Angriffe“ (zebra) und sprechen von einer „Kontinuität der flüchtlingsbezogenen Angriffe“ im Jahr 2017. Erstmals führte die Beratungsstelle mit Sitz in Kiel im vergangenen Jahr ein systematisches Monitoring für das nördliche Bundesland durch und zählte Körperverletzungen, Tötungsdelikte, Brandstiftungen, massive Sachbeschädigungen und „andere Gewalttaten mit erheblichen Folgen für die Betroffenen“.
In der Statistik wurden 62 rechte und rassistische Angriffe registriert, die meisten Taten gab es demnach im dritten Quartal 2017. Bei fast drei Vierteln der Vorfälle handelte es sich um teils gefährliche Körperverletzungen, knapp ein Viertel waren massive Sachbeschädigungen. Von den Delikten waren 73 Personen direkt und zehn weitere indirekt betroffen. Bei der Aufschlüsselung nach Tatmotiven macht ein rassistisches Motiv die Hälfte der Taten aus, bei mehr als einem Viertel richtete sich die Gewalt gegen politische Gegner. Der Projektleiter von zebra, Lars-Arne Raffel, sieht in seiner Beratungsarbeit „einen schleichenden Übergang von niedrigschwelligem Alltagsrassismus zu Angriffen in Form von Körperverletzungen und Sachbeschädigungen.“
„Großes Dunkelfeld bei der Bewertung“
Bei den regionalen Schwerpunkten der registrierten Taten in Schleswig Holstein belegen die Kreise Pinneberg und Steinburg die Plätze eins und drei. Die zweitmeisten Delikte wurden in der Stadt Lübeck registriert, wo nach Angaben von zebra zivilgesellschaftliche Akteure schon seit längerem unter Druck stünden. Die dort gemessene relativ hohe Zahl spiegele „das ganze Spektrum rechter Angriffe wieder“, die sich gegen Flüchtlinge und Migranten ebenso richteten wie gegen Lokalpolitiker, Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit oder Akteure, die sich für Demokratie und Menschenrechte engagieren.
Nach dem ersten Jahresmonitoring registrieren die zebra-Mitarbeiter auch weiße Flecken in ihrer Statistik. Sie sprechen von einem „großen Dunkelfeld, das bei der Bewertung der vorgelegten Zahlen berücksichtigt werden sollte“. Das „Zentrum für Betroffene rechter Angriffe“ (zebra) führt seit Februar 2015 eine unabhängige Beratung in Schleswig-Holstein durch und unterstützt Betroffene, Angehörige und Zeugen rassistischer, antisemitischer und anderer rechtsmotivierter Angriffe.
(https://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/rechte-gewalt-im-hohen-norden)

 

 

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taz (31.3.2018)

Sozial­stunden für Messeropfer
Auflage für Antifa, Identitäre unbehelligt

Das Verfahren gegen Luca Leon M. wegen gefährlicher Körperverletzung ist eingestellt. Am vergangenen Donnerstag endete vor dem Amtsgericht Lübeck der Prozess gegen den 19-Jährigen aus der Antifa-Szene. 40 Arbeitsstunden muss er im Gegenzug leisten.

 

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Die Staatsanwaltschaft hatte M. vorgeworfen, er habe am 19. Februar vergangenen Jahres auf Volker Z. mit einem Teleskopschlagstock eingeschlagen. Am Hauptbahnhof war M. mit einer Frau in der Nacht gegen kurz vor eins zufällig auf Z. getroffen, den Sebastian P. und Sebastian L. begleiteten. Im Saal C 4 war unstrittig, dass M. mit den drei Anhängern der Identitären Bewegung zuerst in einen verbalen Streit geraten war, der dann in eine körperliche Auseinandersetzung überging.
Ein Video, das ein Taxifahrer mit dem Handy aufgenommen hatte, dokumentiert die Eskalation. In der Verhandlung ließ die Richterin den kurzen Film vorführen. Darin ist zu hören dass die Frau mehrfach laut rief: „Er hat ein Messer.“ Damit war Z. gemeint. Bei der Auseinandersetzung wurde M. auch mit einem Messer an Hals und Schulter so verletzt, dass er im Krankenhaus genäht und stationär behandelt werden musste. Mit ein Grund, warum die Richterin Z. mehrfach darauf hinwies, er könne sich selbst belasten, wenn er aussage.
Schon im vergangen Jahr hatte die Staatsanwaltschaft allerdings die Ermittlungen gegen die Identitären wegen des Messerangriffs eingestellt. „In der Gesamtbetrachtung schätzte die Staatsanwaltschaft ein, dass aus Notwehr ein Messer eingesetzt wurde“, sagt Britta Eder, Anwältin des Beschuldigten.
Dieser Bewertung folgte die Richterin nicht. Das könne man so, aber auch anders sehen, sagte sie zu Z. vor Beginn seiner Aussage. Dann überraschte sie den Kader mit Fragen zu seiner Gruppe. Sie wollte wissen: Wer sind die Identiären? Was sind ihre Positionen? Als der 25-Jährige erklärte, dass sie sich für die „deutsche Identität“ und gegen eine „Islamisierung“ einsetzten, fasste die Richterin nach. „Haben sie mal ihre DNA untersuchen lassen? Sollten Sie mal machen, da werden Sie überrascht sein“, erwiderte sie.
Vor Gericht erweckte Z. selbst nicht den Eindruck, aus Notwehr gehandelt zu haben. Er räumte ein, ein Messer gezogen zu haben, als M. auf ihn los gegangen sei. Nachdem dieser ihn geschlagen habe, habe er ihn seinerseits angegriffen. Das Messer will er dabei aber nicht eingesetzt haben. Im Saal C 4 blieb unklar, welcher der den beiden Sebastians auf M. eingestochen hatte.
Das „Zentrum für Betroffene rechter Angriffe e. V.“ (Zebra) hatte M. im Prozess begleitet. „Die Auseinandersetzung zeigt, dass die Anhänger der Identitären Bewegung trotz ihres vermeintlich intellektuellen Habitus gewaltbereite Rechtsextreme sind“, sagte Lars-Arne Raffel von Zebra.
(https://www.taz.de/!5492909/)

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Lübecker Nachrichten (29.3.2018)

62 Vorfälle rechter Gewalt im Land

62 Vorfälle rechter und rassistischer Gewalt hat das Zentrum für Betroffene rechter Angriffe (Zebra) im vergangenen Jahr in Schleswig-Holstein registriert. Ein Schwerpunkt der Gewalt ist Lübeck. Hier wurden 2017 sieben Vorfälle verzeichnet. Doch die Dunkelziffer soll deutlich höher liegen.

 

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„Rechte Angriffe sind kein rein ostdeutsches Problem“, sagte Zebra-Berater Kai Stoltmann am Donnerstag. „Es gibt sie auch in Schleswig-Holstein.“ Mindestens 73 Menschen seien direkt Opfer dieser rechten beziehungsweise rassistischen Angriffe geworden, weitere zehn indirekt, sagte Stoltmann. Bei knapp drei Viertel aller Fälle (74 Prozent) handelte es sich um teils gefährliche Körperverletzungen. Die Berater gehen von einem großen Dunkelfeld aus. Bei den genannten Fällen handele es sich „um die Spitze des Eisbergs“, sagte Beraterin Lisa Luckschus. Opfer rechter Angriffe werden im Norden vor allem Männer (70 Prozent). Neben Frauen (26) sind auch Kinder (4) betroffen.
Bei der Hälfte aller Fälle handelte es sich um Rassismus. In 28 Prozent ging es um politische Gegnerschaft. Sechs Zebra-Berater bieten Opfern eine psychosoziale Betreuung und helfen ihnen beim Gang zur Polizei oder bei Prozessen. Neben Mitteilungen der Polizei werten sie auch soziale Medien und die Presse aus.
Regionale Schwerpunkte waren die Kreise Pinneberg (elf Fälle) und Steinburg (sieben Fälle) sowie die Stadt Lübeck (sieben Fälle). „Aber in jedem Kreis in Schleswig-Holstein wurde mindestens ein Fall registriert“, sagte Stoltmann. Nach den ostdeutschen Ländern sei Schleswig-Holstein das erste Flächenland im Westen, in dem dieses Problem systematisch erfasst werde. „Wir werden selbst aktiv, sprechen die Opfer von Angriffen an.“
Lob für die Arbeit gab es von der SPD. „Opfer von rechter Gewalt und Anfeindungen sind oft schnell verunsichert“, sagte der Sprecher gegen Rechtsextremismus, Tobias von Pein. Es sei wichtig für Betroffene, sich vertrauensvoll an eine unabhängige Stelle wenden zu können. „Vor dem Hintergrund des Zuzugs von Flüchtlingen bereitet uns der Anstieg rechter Aktivitäten im Land große Sorgen.“
Dieser sei auch eine Folge der Verrohung der gesellschaftlichen Debatte in den vergangenen Jahren. „Immer mehr Ehrenamtliche, Lokalpolitiker, Flüchtlingshelfer und Menschen, die sich für unsere Demokratie einsetzen, sind von rassistischen Anfeindungen betroffen.“
Der Sprecher für Strategien gegen Rechtsextremismus der Landtagsfraktion der Grünen, Lasse Petersdotter, warnt: „Rechte Angriffe finden vor unserer Haustür statt. Auch wenn die rechte Szene in Schleswig-Holstein weniger geschlossen und öffentlich auftritt, kommt es immer wieder zu rechten Übergriffen und Einschüchterungen.“ Das Monitoring gebe einen wichtigen Überblick darüber, wo im Land welche Angriffe dokumentiert werden. „Ich befürworte es sehr, dies fortzuführen, um in den kommenden Jahren noch zielgerichteter rechten Angriffen entgegenzuwirken“, so Petersdotter.
(http://www.ln-online.de/Lokales/Luebeck/62-Vorfaelle-rechter-Gewalt-im-Land)

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Lübecker Nachrichten (16.3.2018)

Kundgebung in Eutin: Gemeinsam gegen Rechts
Vielfalt und Zivilcourage und wollen dem Rechtsruck der Gesellschaft etwas entgegensetzen.

Vielfalt und Zivilcourage und wollen dem Rechtsruck der Gesellschaft etwas entgegensetzen. Ihre Ziele und Vorstellungen haben die Mitglieder im Bündnis für Solidarität und Weltoffenheit lange untereinander diskutiert und in Leitlinien festgehalten. Bei einer Kundgebung auf dem Eutiner Marktplatz stellten sie sich jetzt öffentlich vor.

 

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Wie wichtig es ist, die Stimme zu erheben und sich zu zeigen, belegen aktuelle Vorkommnisse: An der Regenbogenbrücke gibt es neue Hakenkreuzschmiereien, an den Bahnschranken an der Weidestraße prangen Aufkleber der Identitären Bewegung.
Circa 100 Bürger aus Eutin, aber auch aus Schönwalde und Pönitz waren dem Aufruf des Bündnisses gefolgt. Unter ihnen waren Schüler, Vertreter der Kirche, der Verwaltung, von Vereinen. Eingebettet war die Zusammenkunft in die Internationalen Wochen gegen Rassismus (12. bis 25. März). „Wir wollen aktiv Position beziehen gegen Unrecht und Diskriminierung in unserem Umfeld. Und wir möchten Menschen unterstützen, die verbale oder körperliche Gewalt erfahren haben und erfahren“, rief Ulrike Jotter vom Bündnis den wacker dem eisigen Wind trotzenden Menschen zu.
Eine Vertreterin vom Regionalen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus Lübeck rief dazu auf, sich menschenverachtenden Positionen entgegenzustellen. Joshua Vogel von Zebra (Zentrum für Betroffene rechter Angriffe) sprach „im Namen von Menschen in Eutin, die auf Probleme mit Faschisten in der Stadt aufmerksam machen und keinen Hass, keine Gewalt in ihrer Mitte wollen“. Vertreter vom Friedenskreis Eutin erinnerten daran, jedem Menschen, egal, welche Herkunft, egal, welche Hautfarbe er habe, mit Respekt zu begegnen. „Es dürfen keine Ängste gegen vermeintlich Fremde geschürt werden. Rassistische Ressentiments dürfen niemals aufgegriffen, salonfähig gemacht und für politischen Stimmenfang genutzt werden“, sagte Miranda Krützfeldt (Amnesty International).
(http://www.ln-online.de/Lokales/Ostholstein/Kundgebung-in-Eutin-Gemeinsam-gegen-Rechts)

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Belltower News (25.1.2018)

Schleswig-Holstein 2017: Subkulturelle statt parteigebundene Rechte

Jahresrückblick 2017: Während die parteigebundene Rechte, also AfD und NPD, in Schleswig-Holstein nicht viel Widerhall finden, gibt es weiter eine aktionsorientierte und subkulturelle Szene mit Kontakten zum Rocker- und Fußball-Milieu. Die Organisation großer Szene-Veranstaltungen gelang 2017 weder den Rechtsextremen noch den “besorgten” Flüchtlingsfeinden. Von RBT-SH/AWO Landesverband Schleswig – Holstein e.V.

 

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Übergriffe und Sachbeschädigungen

Im Jahr 2017 blieb das Thema Flucht und Asyl bzw. Rassismus das Kernthema der extremen Rechten im „echten Norden“. Neben Flyeraktionen und der Organisation in sozialen Netzwerken, kam es auch im vergangenen Jahr zu gezielten Sachbeschädigungen und Angriffen auf Geflüchtete. In den Fokus gerieten aufgrund ihrer Tätigkeit ebenso Unterstützer*innen von geflüchteten Menschen, Politiker*innen, sowie politische Gegner*innen. Öffentlich bekannt worden unter anderem der Angriff gegen die Unterkunft einer geflüchteten Familie in Tornesch oder rechte Graffiti an der Häuserfront einer Moschee in Husum. Kai Stoltmann von der Beratungsstelle zebra – Zentrum für Betroffene rechter Angriffe sagt dazu: „Wir beobachten einen schleichenden Übergang vom Alltagsrassismus zu solchen Sachbeschädigungen und tätlichen Angriffen. Häufig erzählen uns die Betroffenen von rassistischen Anfeindungen im Vorfeld der Angriffe.“

Landtag- und Bundestagswahl

2017 war Wahljahr für Schleswig-Holstein, neben der Bundestagswahl wurde auch ein neuer Landtag gewählt. Im Rahmen des Wahlkampfes wurden verschiedene extrem rechte Akteur*innen aktiv. Am 13. April 2017 störten zum Beispiel Mitglieder der rechtsextremen “Identitären Bewegung” eine Wahlkampfveranstaltung der Partei „Die Linke“ in Laboe mit einer Gegenkundgebung. Vor Ort, aber mit räumlichem Abstand, waren ebenso Vertreter*innen der neonazistischen Gruppierung „Bollstein Kiel“. Jene sind dann im Rahmen der Bundestagswahl wieder in Erscheinung getreten. Nach Informationen von „Aufstehen gegen Rassismus“ haben sie am 26. August 2017 als „Security“ eine Wahlkampfveranstaltung des Landesverbandes der „Alternativen für Deutschland“ in der Fußgängerzone von Kiel „beschützt“.
Kurz nach der Bundestagswahl kam es zu einem Angriff auf das Regionalbüro der Linken in der Landeshauptstadt. Dabei wurden die Scheiben zerstört und Nachrichten hinterlassen wie „Anti-Antifa“ und „Die Linke = SED“. Auch der Wahlkampftruck der Linken wurde bei seinem Zwischenstop in Lübeck mit Hakenkreuzen und dem Schriftzug AFD besprüht. Aus Sicht der Betroffenenberatung zebra handelt es sich dabei um gezielte Einschüchterungsversuche, die sich landesweit gegen Lokalpolitiker richten.
Darüber hinaus konnten in allen Regionen vermehrt Aufkleber- und Plakatier Aktionen unter dem Tenor „Merkel muss weg“ bis hin zu „Volksverräter“ als Vorwurf an die demokratischen Parteien festgestellt werden, wie sie u.a. von der Gruppierung „1 Prozent“ vertrieben werden.

NPD

Durch die Neuorganisation der extremen Rechten verliert die NPD auch in Schleswig-Holstein weiter an Bedeutung. Auf einen Wahlantritt zur Landtagswahl verzichtete die NPD gleich ganz. Zur Bundestagswahl konnten die nötigen Unterschriften für einen Wahlantritt nur mit bundesweiter Unterstützung und kurz vor Ablauf der Frist gesammelt werden. Führungspersonen der Bundes-NPD wie Frank Franz oder Ricarda Riefling reisten durch Schleswig-Holstein um den Wahlantritt im Land zu ermöglichen. Auch im Wahlkampf war die NPD in S-H nur mit auswärtiger Unterstützung handlungsfähig. Neben einer Kundgebungstour, u.a. in Bad Segeberg, Neumünster und Husum, die vom Bundesvorstand der NPD organisiert wurde und bei der neben dem Spitzenkandidaten Marc Proch u.a. Sebastian Schmidtke und Frank Franz sprachen, fanden nahezu keine öffentlichen Auftritte im Wahlkampf statt. In Neumünster ist Marc Proch weiterhin Ratsherr für die NPD und nutzt in diesem Rahmen seine Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit und als Akteur der Lokalpolitik. Nach der Landtags- und Bundestagswahl schien sich der Ratsherr vor allem auf die politischen Gegner*innen zu konzentrieren und wütete zuletzt u.a. gegen das AJZ in Neumünster und die Bürgermeisterin von Seth, die durch ihr konsequentes Vorgehen eine nicht angemeldete rechtsextreme Veranstaltung am Volkstrauertag in ihrem Ort unterband.
Kernthema der NPD-Agitation blieb die Hetze gegen Geflüchtete. Zentrale Formel blieb in der öffentlichen Wahrnehmung „Asylflut stoppen“. Den Versuch der Abgrenzung zu rechtspopulistischen Akteuren als „wahre und erste nationale Kraft“ kann man als gescheitert ansehen.
Gleichzeitig ist im KV Herzogtum-Lauenburg und Stormarn zu beobachten, dass sich die NPD immer wieder abwertend gegenüber Initiativen für Demokratie oder Veranstaltungen gegen Rassismus positioniert und versucht, sich zugleich mit einer Kommentierung der Lokalpolitik in beiden Kreisen als „Kümmerer-Partei“ zu inszenieren. Auch wenn es keine Aufmärsche mehr im März in Lübeck gibt, wurde das Thema „Alliierte Kriegsverbrecher“ zudem auf einer Vortragsveranstaltung in Lübeck in Zusammenarbeit mit weiteren Rechtsextremen hochgehalten.

AFD

Bei der Landtagswahl konnte die AFD 5,9 % der Stimmen und fünf Mandate erringen. Kurz nach dem Einzug in den Landtag wurde die Immunität des Landtagsabgeordneten und AFD-Pressesprechers Volker Schnurrbusch im Juli 2017 aufgehoben, nachdem auf einer Facebook-Präsenz, für die er verantwortlich ist, Symbole der SA gepostet wurden. Mit der Wahl der neuen Landesvorsitzenden Doris von Sayn-Wittgenstein im Juli 2017 hat sich auch die AFD Schleswig-Holstein noch einmal weiter rechts positioniert. Kurz nach ihrer Kandidatur für den Bundesvorstand der AFD wurde bekannt, dass sie 2009 in einer Pressemitteilung als Vorstand des Vereins „Die Deutschen“, initiiert vom Staatsrechtler Klaus Sojka (Autor von: „Die BRD ist kein Staat“), benannt wurde. Zur Vereinsgründung ist es durch das Ableben von Initiator Klaus Sojka nicht gekommen.

Demonstrationspolitik

Die Seite „Neumünster wehrt sich“ musste Anfang 2017 glücklicherweise vom Netz gehen. Damit ist ein Tool der extremen Rechten, das bürgerliche Spektrum mit ins Boot zu holen und nicht zuletzt auch zu Demonstrationen und Aktionen zu mobilisieren, eingeschränkt worden. Als erfreulicher Nebeneffekt kann hier auch das Ausbleiben von Demonstrationen in Neumünster genannt werden. Bei einem der letzten Versuche, eine Demonstration in Neumünster durchzuführen, war im März neben dem Anmelder Enrico P. nur noch eine weitere Person erschienen und die Demonstration musste abgesagt werden.
Es gelang der rechtsextremen Szene in Schleswig-Holstein 2017 praktisch nicht, eigene Kundgebungen oder Demonstrationen zu organisieren. So fand der zwischen 2006 und 2012 jährlich durchgeführte Lübecker “Trauermarsch” auch in diesem Jahr nicht statt.
Allerdings waren organisierte Neonazis durchaus auf rechtsextremen Demonstrationen außerhalb Schleswig-Holsteins anzutreffen. So besuchte Bollstein Kiel eine Demonstration in Dortmund zum Jahrestag des Verbotes des „Nationalen Widerstand Dortmund“. Ebenso waren Personen aus Schleswig Holstein u.a beim „Tag der Deutschen Zukunft“, am 1.Mai in Schwerin und Halle, oder bei einer Gedenkdemonstration für Rudolf Hess in Falkensee zugegen.
Weitere Aktionen der extremen Rechten in Schleswig Holstein konnten im Verborgenen organisiert und durchgeführt werden, so zum Beispiel das „Heldengedenken“ im November, Sonnenwendfeiern, Wanderungen und Gedenkaktionen. Beispielsweise beteiligten sich verschiedene rechtsextreme Akteure an der Aktion „Schwarze Kreuze“, mit einem Schwerpunkt in Nordfriesland.

„Freie Kräfte“

2017 vermehrt in Erscheinung getreten ist insbesondere die „Sektion Nordland“, eine Kameradschaft in der verschiedene rechtsextreme Akteure aus Niedersachsen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein organisiert sind. Mitglieder der Kameradschaft tauchten 2017 regelmäßig auf bundesweiten Veranstaltungen der extremen Rechten auf. Neben klassischen Kameradschaften wie der „Jugend für Pinneberg“, Kameradschaften aus dem Spektrum der Autonomen Nationalisten und an Rockern orientierten Bruderschaften, ist in Schleswig-Holstein auch die Identitäre Bewegung zunehmend aktiv und firmiert im Land einheitlich als IB Schleswig-Holstein.
Öffentlich wahrnehmbar ist die IB insbesondere durch Sticker- und Plakataktionen in allen Regionen in S-H. Dabei ist hier von einer Radikalisierung der Szene zu sprechen. Im Februar 2017 kam es im Zuge des Verklebens von Propaganda-Material der IB zu einem Angriff durch mutmaßliche IB-Mitglieder mit u.a. einem Messer – eine Person musste mit Stichverletzungen im Krankenhaus behandeln lassen. Diese Tat ist beispielhaft für die Feststellung von Kai Stoltmann, der auf eine Kontinuität rechter Angriffe gegen politische Gegner*innen hinweist: „Mitglieder von gesellschaftlichen Initiativen, die sich aktiv gegen rechte Akteure wie die Identitäre Bewegung engagieren, stehen weiterhin stark unter Druck. Insbesondere im ländlichen Raum kommt es immer wieder zu Fällen von (versuchter) Körperverletzung.“
Die Identitäre Bewegung Schleswig-Holstein versucht durch kleine aber medial ausschlachtbare Aktionen aufzufallen, indem sie zum Beispiel die Barrieren beim Weihnachtsmarkt in Lübeck „verzieren“ und mit „Achtung Terrorgefahr“ versehen. Intern organisieren sie Wanderungen durch Schleswig-Holstein und politische Inputs. Des Weiteren gibt es gegenseitige Unterstützung und Zusammenarbeit, wie bei der Kundgebung gegen „die Linke“ in Laboe, mit den IB-Gruppen aus Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. Als Teil der bundesweiten Vernetzung Identitärer Gruppen nehmen sie an Demonstrationen im ganzen Bundesgebiet teil.

Rechte Lebenswelt

Auch 2017 fanden zahlreiche rechtsextreme Musik-Veranstaltungen in Schleswig-Holstein statt. Das wahrscheinlich größte Konzert war ein Auftritt der neonazistischen Band „Kategorie C“ in Wahlstedt. Austragungsort war das Clubhaus „Bandido MC Northgate“. Neben Rechtsextremen aus Schleswig-Holstein, wie z.B. NPD Ratsherr Proch, reisten die Teilnehmer*innen u.a. aus Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Dänemark an. Auch 2017 reisten Rechtsextreme aus Schleswig-Holstein sowohl als Besucher*innen als auch als Musiker*innen zu diversen Konzertveranstaltungen bundesweit als auch drüber hinaus. So war der in Schleswig-Holstein verortete „Sturm18“-Versand z.B. beim „Rock für Identität“ in Themar vertreten.
In Neumünster bleibt der Szene-Treffpunkt als Kneipe „Titanic“ bestehen. Zwar ist immer noch die Bemühung zu verzeichnen, einem bürgerlich-nationalen Spektrum offenzustehen, allerdings mit ausbleibendem Erfolg.
Ende Januar 2017 wurde der Thor-Steinar-Laden „Tønsberg“ in Glinde geschlossen und ausgeräumt, seit 31.01.2017 ist der Laden nach über 5 Jahren, in denen er dauerhaft von der Initiative „Glinde gegen Rechts“ mit Mahnwachen und Kundgebungen begleitet wurde, Geschichte. Damit fällt ein Anlaufpunkt für Rechtsextreme in Schleswig-Holstein weg.
Im Zuge des Zweitliga-Spiels von Holstein Kiel gegen den FC Sankt Pauli kam es seitens einiger Fans von Holstein Kiel zu antisemitischen Anfeindungen der Gegner*innen. Die Fans des FC Sankt Pauli mobilisierte zu einem Zugtreffpunkt und aus der Fanszene der KSV Holstein wurde mit einem Bild geantwortet, welches diesen Zug direkt in das Vernichtungslager Auschwitz fahren ließ. Das Fanprojekt Holstein Kiel und einige Gruppen distanzierten sich von der antisemitischen Äußerung.
Allerdings ist nach dem Wegfallen zentraler Faninstitutionen, wie der Ultrà Gruppe Supside, ein Erstarken extrem rechter Anhänger*innen zu beobachten. So tritt die Gruppe „Nordmänner“ nun wieder im Stadion auf mit szenetypischer Kleidung und einer Zaunfahne im Stil der Reichskriegsflagge.

Reichsideologie

Auch in Schleswig-Holstein sind Gruppen und Einzelpersonen aus dem Spektrum der Reichsideologie aktiv. Das Innenministerium rechnet ca. 240 Personen den Reichsideolog*innen zu. Aus ihrer Szene gibt es immer wieder Anschreiben an Regierungs- und Nicht-Regierungsorganisationen. Vor allem Ämter haben sich mit Forderungen von Reichsbürger*innen auseinanderzusetzen. Dabei werden die Anfeindungen seitens dieser fortlaufend heftiger und konkreter. Anfang des Jahres 2017 (Februar) wurden bei einer Hausdurchsuchung im Kreis Pinneberg bei einem Sympathisanten der Szene Waffen gefunden. Um den Reichsideolog*innen entgegenzuwirken wurde in Schleswig- Holstein durch die Landeregierung das Waffenrecht verschärft und eine Gebühr erhoben für Menschen die ihren Pass bei der Behörde abgeben.
(http://www.belltower.news/artikel/schleswig-holstein-2017-subkulturelle-statt-parteigebundene-rechte-13225)

 

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Lübecker Nachrichten (23.1.2018)

Brutale Gewalt gegen Taxifahrer

Für Taxifahrer Lesan Khosravi sind ausländerfeindliche Parolen von Kunden auf dem Beifahrersitz seit der Flüchtlingskrise Alltag geworden. Doch was Sonnabendnacht passierte, macht den 58-Jährigen fassungslos. Ein Mitfahrer beleidigt und verprügelt ihn – einfach so.

 

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Es ist vier Uhr nachts, Lesan Khosravis letzter Kunde für die Schicht steigt vor einer Kneipe an der Untertrave nahe der Drehbrücke ins Taxi. Der junge Mann will nach St. Jürgen in die Grünewaldstraße. Schon als er einsteigt, wird Khosravi nervös. Mit einem weiteren Fahrgast, der früher aussteigt, macht der Mann Witze über Flüchtlinge. Khosravi vermutet, dass die Kommentare ihm gelten. Der 58-Jährige lebt zwar seit 38 Jahren in Lübeck und tauschte vor langer Zeit seinen iranischen gegen einen deutschen Pass. Doch das hilft ihm in dieser Situation nicht. „Wegen meiner Hautfarbe und meines Akzents denkt der Kunde: Das ist ein Flüchtling“, erzählt Lesan Khosravi.
Am Ziel angekommen weigert sich der Mitfahrer, das Geld für die Fahrt zu bezahlen. Er wird immer aggressiver, beschimpft Khosravi mit den Worten „Warum gehst du nicht in dein Drecksloch, wo du hergekommen bist?“ Dann zerrt er an den Armen des Fahrers – und schlägt zu. Khosravi erinnert sich an rund zwanzig brutale Schläge auf den Kopf. Er versucht zwar noch, die Alarmanlage im Taxi zu betätigen, doch die funktioniert nicht, Hupe und Warnblinker springen aus unerklärlichem Grund nicht an. Dann wird Khosravi bewusstlos. Als er wieder aufwacht, ruft er die Polizei. Ein Krankenwagen bringt ihn ins Krankenhaus. Sein Kiefergelenk ist kaputt, der Schädel geschwollen, die Schulter ausgekugelt.
Die Polizei sucht seit dem Vorfall nach dem Täter. Er sei 1,80 Meter groß, zwischen 20 und 25 Jahre alt, habe kurze rote bis blonde Haare.
Seit 2014 mehr Migranten über das Mittelmeer nach Europa kamen, nehmen von rechts motivierte Straf- und Gewalttaten kontinuierlich zu. Zählte das Bundesamt für Verfassungsschutz 2013 bundesweit 801 rechtsextreme Gewalttaten, waren es 2016 bereits 1600. „Auch in Schleswig-Holstein stellen wir einen klaren Anstieg von Angriffen auf Flüchtlinge oder vermeintliche Flüchtlinge fest“, sagt Kai Stoltmann, Berater am Kieler Zentrum für Betroffene rechter Angriffe. Das klassische Muster der Täter: Sie haben schon vorher Ressentiments gegen Angehörige einer bestimmten Gruppe. In bestimmten Alltagssituation entladen sich die dann bei Einzelpersonen. So erklärt es Stoltmann.
Neben Khosravis Migrationshintergrund ist die Tätigkeit als Taxifahrer an sich grundsätzlich gefährlich. Laut einer Unfallstatistik des deutschen Taxi- und Mietwagenverbands gab es allein im Jahr 2016 237 Raubüberfälle auf Taxifahrer, insgesamt 85 Taxifahrer sind zwischen 1985 und 2016 ermordet worden. Praktisch täglich werde ein Taxifahrer in Deutschland Opfer von körperlicher Gewalt, sagt der Verband.
Das ausländerfeindliche Klima in Deutschland betrifft Lesan Khosravi nicht nur während seiner Arbeit als Taxifahrer. Seit drei Jahren sehe ihn niemand mehr auf dem Weihnachtsmarkt, bei Fußballspielen oder öffentlichen Partys. Seine Angst sei immer größer geworden. Das Ingenieursstudium an der Fachhochschule zog ihn vor 38 Jahren nach Lübeck. Damals habe er gern hier gelebt. Aber: „Es ist immer schlimmer geworden“, sagt der 58-Jährige. „Viele Menschen haben etwas gegen Ausländer.“ Taxifahren werde er nach dem Vorfall nun nie wieder. Auch überlege er, auszuwandern, vielleicht nach Südamerika. Denn: „In Europa kann ich nicht mehr gut leben.“ Misstrauische Blicke, Beleidigungen von Fremden, und nun körperliche Gewalt am Arbeitsplatz – „so kann es nicht weitergehen.“
(http://www.ln-online.de/Lokales/Luebeck/Brutale-Gewalt-gegen-Taxifahrer)

 

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