Pressespiegel 2015

taz vom 28.12.2015:

Neue Rechts-Beratung an der Kieler Uni

Wegen Neonazi-Gewalt startet der Asta der Uni Kiel eine Beratung. In Göttingen hält sich der konservative Asta raus.

StudentInnen der Uni Kiel wollen 2016 ein neues Beratungsangebot für Opfer von Rassismus und rechtsmotivierter Gewalt starten. Der Allgemeine Studierendenausschuss (asta) will dafür mit dem Verein Zebra e.V. zusammenarbeiten.
„Rechtsmotivierte Anfeindungen, sowohl verbaler als auch tätlicher Art, werden auf dem Campus ein immer größeres Problem,“ sagt Ghazzal Novid, Asta-Referent für Hochschulpolitik. Er verweist auf mehrere Vorfälle im vergangenen Halbjahr. „Darauf wusste bisher keine Stelle an der Uni eine adäquate Antwort.“ Der Asta will Studierende nun mit Fortbildungen stärker für rechte Angriffe sensibilisieren. SozialarbeiterInnen des Vereins Zebra sollen mit wöchentlichen Sprechstunden eine professionelle Beratung gewährleisten.
Lars-Arne Raffel, Projektleiter bei Zebra, sagt, es hätte sich eine neue Subkultur von rechten Intellektuellen gebildet: „Das sind oft nette, eloquente Leute, die rhetorisch sehr geschickt argumentieren können“, sagt Raffel. Sie seien seltener mit der NPD als mit jüngeren Organisationen wie der „Identitären Bewegung“ verbunden. Wie Raffel glaubt Asta-Referent Novid, dass das auch an anderen Hochschulen ein Problem sei.
Carina Bock, Antirassismus-Referentin des Asta der Uni Hamburg, kann das bestätigen: Im Umfeld der Uni nähmen rechtsextreme Aktivitäten zu. „Die glauben, ihre Stunde sei gekommen und probieren mehr aus.“ Auf dem Campus habe es rechte Graffiti, Sticker und ein Banner der „Identitären Bewegung“ am Hauptgebäude gegeben. „In einer Mail wurde uns als Asta gedroht, uns bei nächster Gelegenheit abzuschießen.“ Studierende, die durch Rassismus und Diskriminierung benachteiligt werden, leite Book an das „Mobile Beratungsteam gegen Rechtsextremismus“ weiter.
Jonas Niedergesäß, Asta-Vorsitzender der Hochschule Bremerhaven, weiß hingegen von keinen Probleme mit der rechten Szene: „Solches Gedankengut findet bei uns keinen Nährboden“, sagt er. Rechte Angriffe im Umfeld der Hochschule könne er sich nicht vorstellen.
In Göttingen wiederum halte sich der Asta aus jeglichen politischen Aktionen heraus, die über Hochschulpolitik herausgehen, sagte deren Vorstand Daniel Pichl. Er gehört zur „Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Fachschaftsmitglieder“, die sich einst gegen den Einfluss  linker Studierender gründete und aktuell mit dem CDU-Studierendenverbund RCDS eine Koalition bildet. Eine Beratung gegen rechte Gewalt kommt für Pichl nicht in Frage: „Dann müsste man ebenfalls Beratungen gegen Linksextremismus oder religiösen Extremismus anbieten“, sagt er. Im Gegenteil: Das Referat für politische Bildung wurde abgeschafft und ein Beratungsprogramm beendet, dass Studierenden beim Ausstieg aus Burschenschaften helfen sollte.


Kieler Nachrichten vom 2.12.2015:

Asta schlägt wegen Übergriffen Alarm

Der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) der Kieler Christian-Albrechts-Universität (CAU) reagiert auf einen „Rechtsruck in der Gesellschaft“. Neben allgemeiner Studienberatung, Rechts- und Sozialberatung bietet der Asta ab dem Frühjahr eine neue Beratung für Opfer rassistisch und rechtsmotivierter Angriffe an.

Kiel. Der Ausschuss dabei kooperiert mit dem Verein „Zebra“. Zebra steht für „Zentrum für Betroffener rechter Angriffe“. Die Kooperation mit dem Studierendenausschuss kommt nicht aus heiterem Himmel. Ghazzal Novid, Asta-Referent für Hochschulpolitik, erzählt, dass die Zusammenarbeit eine Notwendigkeit war: „Wir haben gemerkt, dass es einen solchen Bedarf gibt. Rechtsmotivierte Anfeindungen, sowohl verbaler als auch tätlicher Art, werden auf dem Campus ein immer größeres Problem.“ Es ist ein heikles Thema, dem sich der Asta hier annimmt. Lars-Arne Raffel, Projektleiter und Berater bei Zebra, möchte darum auch nicht fotografiert werden. Das Risiko, eine Zielscheibe für Anfeindungen zu werden, sei zu groß. „Unsere Initiative umfasst rund 15 aktive Mitarbeiter“, erzählt Raffel. Das Beratungsteam besteht aus drei Sozialarbeitern beziehungsweise -pädagogen. Die Häufung ausländerfeindlicher Übergriffe sei seit den Sommerferien „signifikant gestiegen“. Eine konkrete Zahl will Raffel, der ganz Schleswig-Holstein betreut, nicht nennen. „Selbst wenn ich sie nennen würde, käme sie mitnichten der Realität nahe.“ Dafür sei die Dunkelziffer zu hoch.

Wo genau lag die Notwendigkeit? In einer diffusen Befürchtung vor einem Rechtsruck auf dem CAU-Campus? Konkret, nicht diffus, seien die Sorgen der Studierenden und des Astas. „Die Fälle mehren sich, ganz klar, und es gibt an unserer Universität bisher keine Anlaufstellen“, so Novid. „Es gibt Fälle, in denen Austauschstudenten aus dem Ausland während ihres Minijobs in Kiel von ihrem Arbeitgeber aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert wurden. Es gab Übergriffe auf dem Campus und es gibt Drohszenarien gegenüber Studenten, die ehrenamtlich Flüchtlingen helfen.“ Bei tätlichen Angriffen sei die Lage, sofern der Übergriff gemeldet wird, relativ klar: Polizei, Anzeige, Verfahren. Das Problem sehen Novid und Raffel woanders: „Gerade bei verbalen Angriffen wissen viele gar nicht, dass sie in dem Moment Opfer rechtsmotivierter Diskriminierung werden“, so Raffel. Die Anfeindung werde von dem Betroffenen nicht als Rassismus wahrgenommen. Die Kooperation wolle die Studierenden sensibilisieren und dazu beitragen, Rassismus auf dem Campus keine Chance zu bieten – auch durch Workshops und Seminare. „Der Campus bildet die Gesellschaft in Miniatur ab“, sagt Raffel. „Hier gibt es Toleranz, Weltoffenheit aber auch Ausländerfeindlichkeit.“ Es gebe eine neue rechte Bewegung, die sich eben auch auf dem Campus niederschlage. „Uns treibt die Frage um, wie hier an der Uni eine Zivilgesellschaft entstehen kann, die ausländerfeindliche Angriffe unmöglich macht“, so Novid.

Ab dem Frühjahr 2016 soll es wöchentliche Sprechstunden von Zebra-Beratern in den Räumlichkeiten des Astas geben. Die Sprechstunde fungiert sowohl als erste Beratungsstelle wie auch bei Bedarf als Schnittstelle zu weiteren Kontakten, wie Anwälte, Polizei, Psychologen und Ärzte.

(http://www.kn-online.de/News/Aktuelle-Nachrichten-Kiel/Nachrichten-aus-Kiel/Anlaufstelle-fuer-Opfer-von-Rassismus-Asta-schlaegt-wegen-Uebergriffen-Alarm)


Schleswig-Holstein am Sonntag vom 28. November 2015:

Rechte Szene in SH im Aufwind

Mit Stimmungsmache gegen Flüchtlinge mobilisiert die rechte Szene Sympathisanten im Internet. Die rechte Propaganda nimmt deutlich zu, warnt der Verfassungsschutz. Immer mehr Menschen radikalisieren sich über Facebook.

Während die offene Stimmungsmache gegen Flüchtlinge auf der Straße in Schleswig-Holstein nach wie vor auf Ablehnung in der Bevölkerung stößt, fällt sie in sozialen Netzwerken auf fruchtbaren Boden. „Die Zahl und die Heftigkeit der verbalen Radikalität rechter Propaganda im Internet hat in diesem Jahr deutlich zugenommen“, sagt ein Sprecher des Verfassungsschutzes auf Nachfrage von Schleswig-Holstein am Sonntag. Dieser Eindruck ergebe sich aus der täglichen Auswertung der einschlägigen Seiten im Internet.

Dem Verfassungsschutz liegen beunruhigende Aufrufe aus schleswig-holsteinischen Facebook-Gruppen vor. Man solle daran denken, den Flüchtlingen zu Weihnachten ein nettes Willkommensgeschenk zu bereiten, schreibt dort jemand offensichtlich ironisch. Ein anderer ruft dazu auf, das „asoziale Moslempack qualvoll zu lynchen.“ Strafrechtlich relevante Einträge wie diese leite der Verfassungsschutz regelmäßig an die Polizei weiter.

Auch dort stellen die Beamten eine ähnliche Entwicklung fest. Von Januar bis Oktober registrierte das Landeskriminalamt (LKA) 25 Straftaten in Verbindung mit Flüchtlingen und Asylunterkünften. Im Vorjahr keine einzige. Auch in Schleswig-Holstein brannten in diesem Jahr Flüchtlingsheime – so geschehen in Grabau, Escheburg, Lübeck und zuletzt in Flensburg. Deutschlandweit ist die Lage noch verheerender: Das BKA meldete jüngst etwa viermal so viele Angriffe auf Asylunterkünfte wie im Vorjahr. Unter den 637 Fällen waren 104 Gewalttaten.

Die radikale rechte Szene wittert Morgenluft heißt es beim Verfassungsschutz in Kiel. Sie versucht das Thema Flüchtlinge für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Und das Kalkül geht offenbar auf. „Wir gehen davon aus, dass sich 2015 in Schleswig-Holstein das rechte Personenpotenzial um eine Zahl im unteren dreistelligen Bereich erhöht“, so der Verfassungsschutz-Sprecher. Er nennt als Ursache die verstärkten Internetaktivitäten. Für das Jahr 2014 ging der Verfassungsschutz von etwa 1070 Rechtsextremisten in Schleswig-Holstein aus.

Die Gefahr des gewaltbereiten Extremismus’ geht dabei nicht mehr nur von etablierten Kräften der Szene aus, wie etwa der NPD. Immer mehr Menschen radikalisieren sich vom Sofa aus, ohne in Kontakt mit Parteiständen oder Kundgebungen zu kommen. Möglich machen das Facebook-Gruppen von Asylgegnern. In Kreisen der Kieler Behörde spricht man von „Feierabendfaschisten“ – Personen, die dem Verfassungsschutz unbekannt sind, weil sie vorher nie in Erscheinung traten. Das sei ein Phänomen, das die Behörde bislang nur aus dem Islamismus kenne.

Nicht nur Behörden beobachten diese Entwicklung. Vereine und Netzwerke, die sich in Schleswig-Holstein gegen Rechtsextremismus engagieren nehmen ein zunehmend asylfeindliches Gewaltpotenzial war. „Flüchtlinge und Ehrenamtler oder Politiker, die sich für sie engagieren, werden häufig über das Internet bedroht“, berichtet Till Stehn vom Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus in Itzehoe (Beranet). Trotzdem komme es selten zu Anzeigen. „Rechtsextremisten gehen davon aus, sie würde sich auf Facebook in einem rechtsfreien Raum befinden“, so Stehn. Die Hemmschwelle sei sehr niedrig, da es keine direkte Reaktion des Gegenübers geben könne.

Neue, eindeutig rechtsextrem orientierte Gruppen für Orte in Schleswig-Holstein würden auf Facebook wöchentlich gegründet, so Stehn. Er berät Kommunen, Schulen, Eltern und Betroffene rechter Gewalt, Rassismus und Diskriminierung. „Vor allem in diesem Jahr beobachten wir im Internet eine zunehmende Durchmischung besorgter Bürger, die sich zwar rassistisch äußern, aber keinen Kontakt zur rechten Szene haben, und organisierten Neonazis.“

Als Beispiel nennt der Extremismus-Experte die Gruppe „Boostedt wehrt sich“. In dem kleinen Ort bei Neumünster hatten Bürger eine Facebook-Gruppe gegründet, um Demonstrationen gegen die Erstaufnahmeeinrichtung in der Gemeinde zu organisieren. Was als friedlicher Protest begann, wurde schnell von der NPD politisch besetzt. Gegenüber Schleswig-Holstein am Sonntag unserer Zeitung erklärten die Initiatoren, sie hätten sich wegen diffamierender und fremdenfeindlicher Kommentare zurückgezogen. Auch Drohungen soll es gegeben haben, nachdem Verfasser fremdenfeindlicher Kommentare gesperrt wurden. Die mittlerweile geheime und damit auf Facebook ohne weiteres nicht mehr zu findende Gruppe wird jetzt von bekannten NPD-Funktionären administriert.

In Gruppen wie diesen, so Till Stehn, würden die Hintermänner ganz bewusst Falschmeldung und aus dem Kontext gerissene Artikel verbreiten. Als Beispiel nennt er eine Falschmeldung vom Wintermarkt am Müncher Flughafen. Die Meldung, dass der Flughafen die Veranstaltung aus Rücksicht auf Flüchtlinge von „Weihnachtsmarkt“ in „Wintermarkt“ umbenannte wurde tausendfach geteilt. Die Verantwortlichen in München erreichten nach eigenen Angaben fremdenfeindliche und hetzerische Beiträge. „Wir sind hier offenbar zum Ziel einer bösartigen Kampagne geworden, die über die vermutlich gefakte Anonymus-Seite ausgelöst wurde“, heißt es in einer Stellungnahme. „Ein Zusammenhang mit Flüchtlingen wird hier bewusst suggeriert. Dabei gab es die Umbenennung bereits 2006, weil man seitdem den Markt über die Feiertage hinaus öffnet“, erklärt Stehn. Auch auf asylkritischen Seiten im Norden sei die Meldung veröffentlicht worden.

Dass sich viele Flüchtlinge nicht nur Hetze im Netz, sondern auch körperlicher Gewalt ausgesetzt sehen, weiß Kai Stoltmann vom Kieler Verein Zebra e.V.: „Die Medien berichten vor allem über die spektakulären Taten. Die meisten Angriffe bleiben deutlich unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Die Gewalt von rechts ist alltäglich.“ Der Verein gründete sich vor einem Jahr als Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt. „Rechte Angriffe können jeden treffen, auch Menschen mit Migrationshintergrund, die für Flüchtlinge gehalten werden, obwohl sie keine sind“, so Stoltman. Das gesellschaftliche Klima sei besorgniserregend. „Derzeit beobachten wir vermehrt, dass auch Unterstützer von Flüchtlingen in den Fokus der Gewalt geraten.“

Seit diesem Sommer würden die Zahlen angegriffener Flüchtlinge steigen. „Wir gehen davon aus, dass die Dunkelziffer enorm hoch ist.“ Vor allem bei Transitflüchtlinge würden die Fälle nur sehr selten anzeigen. Sie sind auch für den Kieler Verein nur schwer nachzuvollziehen. „Bis wir nahe genug dran sind, ist die Spur längst verschwunden.“ Dennoch seien derzeit einige Flüchtlinge bei Zebra in der Beratung. Für Stoltmann eine sehr wichtige Arbeit: „Wir nehmen den Tätern ihre Macht, wenn wir den Opfern zur Seite stehen. Und wir zeigen ihnen, dass sie nicht die Mehrheit der Gesellschaft vertreten.“

(http://www.shz.de/nachrichten/schleswig-holstein-am-sonntag/rechte-szene-in-sh-im-aufwind-id11346786.html)

 


RTL Nord vom 25.11.2015

RTLnord vom 25.11.2015
Mangelnde Informationspolitik zur Flüchtlingskrise

Im Hamburger Stadtteil Niendorf soll eine neue Einrichtung zur Erstaufnahme von Flüchtlingen entstehen. Wie der Zentrale Koordinierungsstab am Mittwoch mitteilte, sollen hier ab Anfang 2016 bis zu 1.800 Menschen eine Anlaufstelle finden. Damit sich die Nachbarn nicht überrannt fühlen, will man in den nächsten Wochen über alle Schritte informieren. Denn die Erfahrung hat gezeigt, dass Transparenz und Offenheit Vorurteile und Angst ausbremsen. Oft nutzen rechte Hetzer auch bei uns im Norden fehlende Informationen für ihre Propaganda.

Das hat auch unsere Reporterin Marisa Caligiuri in Schleswig erfahren, wo Flüchtlings-Helfer ihre Erfahrungen ausgetauscht haben.


 

Kieler Nachrichten vom 30.10.2015

Hetze im Internet immer radikaler

Die Hetze gegen Flüchtlinge, Kommunalpolitiker und Bürger, die sich in Schleswig-Holstein für Flüchtlinge engagieren, hat im Internet laut Verfassungsschutz massiv zugenommen. Rechtsextremisten unterwandern soziale Netzwerke und instrumentalisieren Bürger, die sich kritisch zur Flüchtlingspolitik äußern.

Kiel. „Wir warnen seit langem vor dieser Entwicklung und beobachten in den jüngsten Monaten eine deutliche Zunahme solcher Aktivitäten“, sagt Dieter Büddefeld, oberster Verfassungsschützer in Schleswig-Holstein. Die NPD etwa würde erleben, dass sich bei öffentlichen Aktionen wie Demonstrationen das bürgerliche Lager abwendet. Im Internet könne man hingegen unter Pseudonym als vermeintlich besorgter Bürger agieren. Beispiel Boostedt: „Als eine Facebook-Seite, die nichts mit Extremisten zu tun hatte, nach der Bürgerversammlung Mitte Oktober viel Zuspruch erhielt, ist die NPD dort eingestiegen und hat versucht, die Bürger zu radikalisieren“, sagt Büddefeld. Als der Betreiber der Seite die Verfasser von Hetzparolen ausschloss, wurde er bedroht und verließ die Website. Es übernahmen zwei bekannte NPD-Funktionäre. Das Forum existiert weiter, ist aber im Netz nicht mehr sichtbar.

Es gibt aber andere Seiten etwa aus Kiel, Neumünster, Eutin und Lübeck, die gegen Flüchtlinge mobil machen. „Man versucht, sich als Kümmerer und Volksversteher zu geben, die Bürger als Opfer darzustellen. Aber Sätze wie ‚das deutsche Volk soll ausgeblutet werden‘ oder Bezeichnungen für Politiker als Deutschlandhasser und für Flüchtlinge als ‚Ungeziefer‘, ‚Lampedusa-Neger‘ oder ironisierend als ‚mulitkulturelle Bereicherung‘, zeigen die rechtsextreme Ideologie“, sagt eine Mitarbeiterin des Beratungsnetzwerkes gegen Rechtsextremismus.

Der Verfassungsschutz wertet die zunehmend radikale Netz-Agitation als Bedrohungspotenzial. „Neben Hetze und Beleidigungen finden wir auch Aufrufe zu Straftaten. Das leiten wir natürlich an die Polizei weiter“, sagt Büddefeld. Inzwischen befasst sich auch die Staatsanwaltschaft Kiel mit der Hetze im Netz. „Das Problem ist, dass dort oft nicht mit Klarnamen agiert wird“, sagt Oberstaatsanwalt Manfred Schulze-Ziffer. Es gebe aber erste Verurteilungen. So wurde ein Mann wegen volksverhetzender Statements zu 90 Tagessätzen verurteilt. Auch beim Verein Zebra, der Opfer von Rassismus berät, spricht man von einem sprunghaften Anstieg von Hetze und Bedrohungen. Betroffen seien nicht nur Flüchtlinge, sondern auch Menschen mit Migrationshintergrund sowie Unterstützer von Flüchtlingen.

(http://www.kn-online.de/News/Aktuelle-Nachrichten-Politik/News-Aktuelle-Nachrichten-Politik/Verfassungsschutz-Hetze-im-Internet-immer-radikaler)


 

Kieler Nachrichten vom 29. Juli:

Rechte Gewalt trifft auch die Helfer


Nicht nur Flüchtlinge sehen sich Anfeindungen ausgesetzt, auch gegen ihre Unterstützer gibt es immer mehr Übergriffe. Der Kieler Verein Zebra berät die Opfer.

Kiel. Ehrenamtliche Helfer sind immer häufiger Attacken von rechter und rassistischer Seite ausgesetzt. Das bestätigen die Berater des Vereins Zebra, des Zentrums für Betroffene rechter Angriffe in Kiel. „Obwohl wir erst im Februar die Beratung aufgenommen haben, können wir bestätigen, was andere Bundesländer bereits melden: Die Übergriffe auf Flüchtlinge und auf engagierte Bürger nehmen zu“, sagt Lars-Arne Raffel. Der 32-Jährige ist Sozialpädagoge und einer von drei Zebra-Beratern. Nach ihrer Erfahrung nehmen Bürger, die sich für Flüchtlinge engagieren, die ersten Anzeichen oft gar nicht als Bedrohung wahr.

Eine typische Situation: Kommunalpolitiker und Bürger äußern sich auf Informationsversammlungen positiv über Flüchtlinge. Auf dem Heimweg wird dann von den Gegnern wie zufällig verbal nachgetreten. Es fallen Sätze wie: „Ich würde das an deiner Stelle lieber sein lassen.“ Oder: „Sie sind ja einer dieser Gutmenschen. Sie werden schon sehen, was Sie davon haben.“ Solche Andeutungen würden von den Angesprochenen meist nur als Fortsetzung der Diskussion bei der Veranstaltung interpretiert, sagt Raffel.

Aus Diskussionen werden Drohungen
Das ändert sich, wenn offen gedroht und genötigt wird. „Wenn du damit nicht aufhörst, wirst du keine Ruhe mehr in deinem Dorf haben.“ Oder: „Lass das sein, sonst wird du sehen, dass deine Kinder keinen Spaß mehr haben.“ Häufiger komme es dann auch zu Sachbeschädigungen. Da wird dann das Auto beschädigt oder Farbe über die Wäsche geschüttet, die im Garten zum Trocknen hängt.

Auch wenn es – im Gegensatz zur Übergriffen gegen Flüchtlinge – bei den Helfern meist nicht zu körperlicher Gewalt kommt, sind dies für Rüffel und seine Kollegen eindeutige Signale. „Rechte Taten sind immer Botschaften. Sie sollen Angst erzeugen, das Gefühl, ausgeliefert zu sein und die Kontrolle verloren zu haben. Und das nicht nur bei den Betroffenen und ihrem privaten Umfeld, sondern auch bei der gesamten Gruppe – mit dem Ziel, dass sie ihre ehrenamtliche Arbeit für die Flüchtlinge einstellt.“

Die drei Berater wollen den Betroffenen helfen, Handlungsfähigkeit und Kontrolle zurückzuerlangen. Dazu sind sie im gesamten Land unterwegs, reagieren nicht nur auf Anfragen, sondern werden auch aktiv, wenn sie von Übergriffen hören. Die Betroffenen und ihre Angehörigen können sich nicht nur kostenlos beraten und emotional unterstützen lassen, sondern auch Hilfe bei der Suche nach Anwälten und Therapeuten sowie Begleitung zu Polizei, Ämtern, Gericht bekommen. „Wir arbeiten streng vertraulich und parteiisch für die Betroffenen. Sie allein bestimmen, was passiert“, betont Kai Stoltmann, Gründungsmitglied des Vereins.

Beratungen ganz individuell
Manche etwa wollen anonym beraten werden, anderen wollen sich nur in einem Park oder in einem Café in der nächsten Stadt treffen. Raffel hat auch schon auf dem Rücksitz eines Autos beraten. Die Entscheidung, ob man sich weiter als Helfer engagiert, müsse jeder für sich treffen. Bisher allerdings habe nach der Beratung niemand gesagt, dass er sein Engagement aufgeben will. „Wichtig ist für die Betroffenen, dass sie mit dieser Erfahrung nicht allein ist und dass man aktiv dagegen angehen kann.

Stoltmann hofft, dass der Verein bald auch die Aufgabe eines Monitorings bekommt. Dann könne man rassistische und rechte Übergriffe in Schleswig-Holstein systematisch erfassen. „Viele Betroffene stellen keine Anzeige, auch weil sie fürchten, dass die Ermittlungen eingestellt werden“, sagt Stoltmann. Die Polizeistatistik gebe die reale Situation daher nur unvollständig wieder.

Der Gemeinnützige Verein Zebra geht auf eine Initiative von Melanie Groß, Professorin für Erziehung und Bildung mit dem Schwerpunkt Jugendarbeit an der Fachhochschule Kiel, zurück. Sie reagierte damit auf die jahrelange Kritik, dass es in Schleswig-Holstein im Gegensatz zu anderen Bundesländern keine unabhängige Beratungsstelle gab, die sich ausschließlich um Betroffene rechter Gewalt kümmert. Prof. Groß sammelte Studierende und Absolventen und gründete mit ihnen den gemeinnützigen Verein Zebra. Als im Zuge der NSU-Aufarbeitung das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Initiative „Demokratie leben“ startete und in jedem Bundesland eine unabhängige Beratungsstelle förderte, bekam Zebra für Schleswig-Holstein den Zuschlag. Im Februar starteten drei Fachkräfte mit der Beratung. Der Rektor der Muthesius Kunsthochschule stellte dem Verein ein Büro in dem alten Gebäude der Alten Mu zur Verfügung. Das Angebot von Zebra richtet sich an die Betroffenen rechter Gewalt selbst, ihre Angehörigen und an Zeugen solcher Übergriffe. Die erste statistische Auswertung steht noch aus. „Wir haben aber gut zu tun, und die Beratungsanlässe nehmen seit dem Start zu“, sagt Berater Lars-Arne Raffel. „Wir sind leider nicht überflüssig.“

Kontaktdaten Verein Zebra: Tel. 0431/30140379, info@zebraev.de  www.zebraev.de

(http://www.kn-online.de/News/Aktuelle-Nachrichten-Schleswig-Holstein/News-Aktuelle-Nachrichten-Schleswig-Holstein-Aus-der-Welt/Fluechtlingswelle-Rechte-Gewalt-trifft-auch-die-Helfer)