Am 17. Oktober 2020 fand im Bürgerhaus Henstedt-Ulzburg eine Veranstaltung der Alternativen für Deutschland (AfD) statt. Am Rand der Veranstaltung fuhr ein junger Mann mit einem Pick-Up in gegen die AfD protestierende Antifaschist_innen und verletzte vier von ihnen teilweise schwer. Heute, fast drei Jahre nach dem rechten und rassistischen Angriff, beginnt nun der Prozess vor dem Landgericht Kiel u. a. wegen versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr.
Dass es überhaupt zu diesem Gerichtsverfahren kommt, liegt vor allem an antifaschistischer und journalistischer Recherche. Die Polizei schilderte den Vorfall in ihrer ersten Meldung als Auseinandersetzung zwischen rechten und linken und sprach von einem Verkehrsunfall. „Demonstranten der rechten und linken Szene gerieten außerhalb des Veranstaltungsgeländes aneinander. Dabei wurde im Rahmen eines Verkehrsunfalls eine Person der linken Szene schwer verletzt und in ein Krankenhaus eingeliefert.“
Erst die Schilderung von Betroffenen gegenüber der Presse, zeigten auf, was tatsächlich geschehen war: „Und der Fahrer gab Vollgas und raste auf uns zu.“
Der Angriff steht exemplarisch für die Relevanz der Betroffenenperspektive in der Einschätzung zu rechten Gewalttaten. Felix Fischer, Berater bei ZEBRA, erklärt dazu: „Nach rechten Angriffen wird häufig mit diversen Akteur_innen gesprochen, die alle ihre Sicht auf das Geschehene wiedergeben – fast immer ohne mit den Betroffenen gesprochen zu haben. Dabei können diese durch ihren persönlichen Erfahrungshintergrund meist sehr gut einschätzen wie die Tat zu bewerten ist.“
Rechte Angriffe finden nicht im luftleeren Raum statt. Die jahrelange Hetze extrem rechter Akteur_innen (innerhalb der AfD) gegen Antifaschist_innen sorgen für eine Stimmung, in der sich ihre Anhänger_innen und Mitglieder dazu berufen fühlen zur Tat zu schreiten. Dies zeigte jüngst auch der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) in einer Analyse zur zunehmenden Gewaltbereitschaft von Funktionär_innen der AfD.
Rechte Gewalt wirkt als Mittel zur Einschüchterung und Durchsetzung der eigenen Ideologie. Allein in Schleswig-Holstein wurden im Jahr 2022 mindestens 32 Angriffe auf politische Gegner_innen von ZEBRA erfasst und bundesweit machten in den letzten Jahren Fälle wie der Überfall auf zwei Journalisten in Fretterode deutlich mit welcher Brutalität Akteur_innen der extremen Rechten bereit sind ihre menschenverachtende Ideologie gegenüber politischen Gegner_innen durchzusetzen.
Auch vor Gericht stehen Angeklagte im Sinne der juristischen Aufarbeitung im Mittelpunkt. Doch auch hier sollten die Betroffenen nicht alleine gelassen werden.
Rechte Angriffe können einen schweren Einschnitt in das Leben der Betroffenen darstellen. Vereinzelung, Rückzug, Angst, Aufgabe der politischen Aktivität sowie langfristige körperliche und psychische Einschränkungen können die Folge sein. Folgen, die sich nicht nur auf die direkt Betroffenen auswirken können, sondern auch auf ihr familiäres, soziales und politisches Umfeld. Daher braucht es Solidarität mit Betroffenen, die ausdrückt, dass diese nicht alleine mit dem Erlebten sind.
Das Bündnis „Tatort Henstedt-Ulzburg“ zu einer solidarischen Prozessbegleitung auf.
Prozesstermine:
Landgericht Kiel, Schützenwall 31-35, 24114 Kiel
Montag | 03.07.2023 | 09.00 Uhr |
Freitag | 07.07.2023 | 08.30 Uhr |
Freitag | 14.07.2023 | 09.00 Uhr |
Mittwoch | 02.08.2023 | 09.00 Uhr |
Donnerstag | 10.08.2023 | 13.30 Uhr |
Freitag | 11.08.2023 | 09.00 Uhr |
Montag | 14.08.2023 | 09.00 Uhr |
Mittwoch | 23.08.2023 | 09.00 Uhr |
Freitag | 25.08.2023 | 09.00 Uhr |
Montag | 28.08.2023 | 09.00 Uhr |
Montag | 25.09.2023 | 09.00 Uhr |
Mittwoch | 27.09.2023 | 09.00 Uhr |
Donnerstag | 05.10.2023 | 09.00 Uhr |
Montag | 09.10.2023 | 09.00 Uhr |
Donnerstag | 12.10.2023 | 09.00 Uhr |
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