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ZEBRA e.V. gewinnt Schleswig-Holsteinischen Demokratiepreis

Die gesamte Pressemitteilung finden Sie hier als PDF.

Am Dienstag, 07.11.2023, wurde der Trägerverein ZEBRA – Zentrum für Betroffene rechter Angriffe e.V. im Rahmen einer Preisverleihung in Büdelsdorf mit dem Demokratiepreis des Schleswig-Holsteinischen Landtags und der Sparkassen in Schleswig-Holstein geehrt. Mit dem Preis werden seit 2018 jährlich Personen, Verbände oder Institutionen gewürdigt, die sich in außergewöhnlicher Weise um die freiheitlich-demokratische Ordnung oder das demokratische Gemeinwohl verdient gemacht haben.

Der Verein ZEBRA e.V. trägt mittlerweile drei Projekte im Bereich der Beratung, Unterstützung und Dokumentation von rassistischen, antisemitischen, sowie politisch rechts motivierten Vorfällen und Gewalttaten. Die jeweiligen Fördermittelgeber werden am Ende der Pressemitteilung aufgeführt.

„Wir sind sehr dankbar für die Anerkennung und Würdigung unserer Arbeit und die damit verbundene Sichtbarmachung der Betroffenen von rechten, rassistischen Angriffen und antisemitischen Bedrohungen“, sagte Vereinsvorstand Prof. Dr. Melanie Groß auf der Preisverleihung. Gerade vor dem Hintergrund eines gesellschaftlichen Rechtsrucks und alltäglichen rechten, rassistischen und antisemitischen Vorfällen sei dieser Preis für ZEBRA ein wichtiges Zeichen, das die langjährige Unterstützung von Betroffenen würdige.

Die Beratungsstelle ZEBRA berät seit 2015 aufsuchend und landesweit Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Angriffe und unterstützt diese in der Verarbeitung der Angriffsfolgen.

Darüber hinaus hat ZEBRA gemeinsam mit dem Bundesverband der Betroffenenberatungsstellen VBRG ein Monitoring entwickelt, mit dem jährlich über das Ausmaß rechter Angriffe in Schleswig-Holstein berichtet wird.

Die landesweite Informations- und Dokumentationsstelle Antisemitismus Schleswig-Holstein (LIDA) dokumentiert seit September 2018 antisemitische Vorfälle. Das jüngste Projekt des Vereins LIBA ergänzt das bisherige Angebot nun seit Anfang 2023 mit einer Beratungsstelle für Ratsuchende nach antisemitischen Vorfälle unterhalb der Angriffsschwelle. „Mit der Weiterentwicklung von ZEBRA e.V. und der Differenzierung der Angebote reagieren wir auf den Bedarf der Betroffenen und die aktuelle gesellschaftliche Realität“, so Joshua Vogel, Projektleiter von LIDA und LIBA.

„Gestartet als ehrenamtliche Initiative von Studierenden und Absolvent*innen der Fachhochschule Kiel sowie weiteren Mitstreiter*innen haben wir auch als professionelle Institution Sozialer Arbeit immer den Geist des gemeinsamen Engagements für eine offene, demokratische Gesellschaft beibehalten“, ergänzt Melanie Groß. Für alle Projekte ist die Preisverleihung eine Bestätigung, dass die oft herausfordernde Arbeit in einem komplexen Themenfeld auch in der Öffentlichkeit als das anerkannt wird, was es im Kern ist: Eine wichtige Tätigkeit für die elementaren Werte einer Demokratie.

Die Veröffentlichung stellt keine Meinungsäußerung des BMFSFJ bzw. des BAFzA, sowie des Ministerium für Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport des Landes Schleswig-Holstein und des Landesdemokratiezentrums dar. Für inhaltliche Aussagen trägt der oder die Autor:in bzw. tragen die Autor:innen die Verantwortung.

ZEBRA wird von dem Bundesprogramm „Demokratie Leben!“ und dem Landesprogramm zur Demokratieförderung und Rechtsextremismusbekämpfung über das Landesdemokratiezentrum beim Landespräventionsrat Schleswig-Holstein gefördert.

Prozessauftakt zur Autoattacke von Henstedt-Ulzburg am 03.07.2023

Am 17. Oktober 2020 fand im Bürgerhaus Henstedt-Ulzburg eine Veranstaltung der Alternativen für Deutschland (AfD) statt. Am Rand der Veranstaltung fuhr ein junger Mann mit einem Pick-Up in gegen die AfD protestierende Antifaschist_innen und verletzte vier von ihnen teilweise schwer. Heute, fast drei Jahre nach dem rechten und rassistischen Angriff, beginnt nun der Prozess vor dem Landgericht Kiel u. a. wegen versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr.

Dass es überhaupt zu diesem Gerichtsverfahren kommt, liegt vor allem an antifaschistischer und journalistischer Recherche. Die Polizei schilderte den Vorfall in ihrer ersten Meldung als Auseinandersetzung zwischen rechten und linken und sprach von einem Verkehrsunfall. „Demonstranten der rechten und linken Szene gerieten außerhalb des Veranstaltungsgeländes aneinander. Dabei wurde im Rahmen eines Verkehrsunfalls eine Person der linken Szene schwer verletzt und in ein Krankenhaus eingeliefert.“

Erst die Schilderung von Betroffenen gegenüber der Presse, zeigten auf, was tatsächlich geschehen war: „Und der Fahrer gab Vollgas und raste auf uns zu.“ 

Der Angriff steht exemplarisch für die Relevanz der Betroffenenperspektive in der Einschätzung zu rechten Gewalttaten. Felix Fischer, Berater bei ZEBRA, erklärt dazu: „Nach rechten Angriffen wird häufig mit diversen Akteur_innen gesprochen, die alle ihre Sicht auf das Geschehene wiedergeben – fast immer ohne mit den Betroffenen gesprochen zu haben. Dabei können diese durch ihren persönlichen Erfahrungshintergrund meist sehr gut einschätzen wie die Tat zu bewerten ist.“

Rechte Angriffe finden nicht im luftleeren Raum statt. Die jahrelange Hetze extrem rechter Akteur_innen (innerhalb der AfD) gegen Antifaschist_innen sorgen für eine Stimmung, in der sich ihre Anhänger_innen und Mitglieder dazu berufen fühlen zur Tat zu schreiten. Dies zeigte jüngst auch der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) in einer Analyse zur zunehmenden Gewaltbereitschaft von Funktionär_innen der AfD. 

Rechte Gewalt wirkt als Mittel zur Einschüchterung und Durchsetzung der eigenen Ideologie. Allein in Schleswig-Holstein wurden im Jahr 2022 mindestens 32 Angriffe auf politische Gegner_innen von ZEBRA erfasst und bundesweit machten in den letzten Jahren Fälle wie der Überfall auf zwei Journalisten in Fretterode deutlich mit welcher Brutalität Akteur_innen der extremen Rechten bereit sind ihre menschenverachtende Ideologie gegenüber politischen Gegner_innen durchzusetzen.

Auch vor Gericht stehen Angeklagte im Sinne der juristischen Aufarbeitung im Mittelpunkt. Doch auch hier sollten die Betroffenen nicht alleine gelassen werden.

Rechte Angriffe können einen schweren Einschnitt in das Leben der Betroffenen darstellen. Vereinzelung, Rückzug, Angst, Aufgabe der politischen Aktivität sowie langfristige körperliche und psychische Einschränkungen können die Folge sein. Folgen, die sich nicht nur auf die direkt Betroffenen auswirken können, sondern auch auf ihr familiäres, soziales und politisches Umfeld. Daher braucht es Solidarität mit Betroffenen, die ausdrückt, dass diese nicht alleine mit dem Erlebten sind.

Das Bündnis „Tatort Henstedt-Ulzburg“ zu einer solidarischen Prozessbegleitung auf.

Prozesstermine:
Landgericht Kiel, Schützenwall 31-35, 24114 Kiel

Montag 03.07.2023 09.00 Uhr
Freitag 07.07.2023 08.30 Uhr
Freitag 14.07.2023 09.00 Uhr
Mittwoch 02.08.2023 09.00 Uhr
Donnerstag 10.08.2023 13.30 Uhr
Freitag 11.08.2023 09.00 Uhr
Montag 14.08.2023 09.00 Uhr
Mittwoch 23.08.2023 09.00 Uhr
Freitag 25.08.2023 09.00 Uhr
Montag 28.08.2023 09.00 Uhr
Montag 25.09.2023 09.00 Uhr
Mittwoch 27.09.2023 09.00 Uhr
Donnerstag 05.10.2023 09.00 Uhr
Montag 09.10.2023 09.00 Uhr
Donnerstag 12.10.2023 09.00 Uhr

Die Pressemitteilung stellt keine Meinungsäußerung des BMFSFJ bzw. des BAFzA sowie des Ministerium für Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport des Landes Schleswig-Holstein und des Landesdemokratiezentrums dar. Für inhaltliche Aussagen trägt der oder die Autor:in bzw. tragen die Autor:innen die Verantwortung.

Rechte Gewalt braucht keine Nazis

Auch in Schleswig-Holstein sind rassistische und antisemitische Übergriffe ein Alltagsphänomen.

(…) Der Schein trügt. »Es muss niemand organisierter Neonazi sein, um eine Tat zu begehen«, macht Felix Fischer vom Zentrum für Betroffene rechter Angriffe (Zebra) in Schleswig-Holstein gegenüber nd.derTag klar. Der Verein betreut und berät Opfer rassistischer, antisemitischer und anderer rechtsmotivierter Taten, leistet Bildungsarbeit und erstellt seit 2018 ein jährliches Monitoring zu rechten Gewalttaten im nordwestlichsten Bundesland. Die jüngste Statistik liegt für 2021 vor. Im Vorjahr registrierte Zebra 77 rechte Gewalttaten mit insgesamt 148 betroffenen Menschen, darunter 31 Kinder und Jugendliche. »Es reichen auch einzelne Aspekte einer menschenverachtenden Ideologie wie Rassismus oder Antisemitismus, damit sich Menschen berufen fühlen, andere anzugreifen«, so Fischer, der seit zwei Jahren als Berater für Zebra arbeitet. (…)

Fischer erklärt, dass Zebra bei seiner Erfassung rechter Gewalttaten Kontinuitäten feststelle. »Weit über 50 Prozent der Angriffe, die wir im Monitoring aufnehmen, sind rassistisch motiviert. Die zweite große Gruppe an Betroffenen sind politische Gegner*innen, seien es Antifas oder Lokalpolitiker*innen.« Ein besonders schwerer Fall, auf dem Zebra seinerzeit besonders hinwies, ereignete sich im Oktober 2020. Am Rande einer AfD-Veranstaltung in Henstedt-Ulzburg fuhr Melvin S. mit seinem Pick-up in eine Gruppe Gegendemonstrant*innen, vier Personen wurden verletzt. Zwar erhob die Staatsanwaltschaft Kiel mehr als ein Jahr später Anklage wegen versuchten Totschlags, doch bis heute steht der Prozessbeginn aus. Zum zweiten Jahrestag vor wenigen Wochen sprach Martina Renner, Innenexpertin der Linksfraktion im Bundestag, von einem »Akt rechten Terrors«, der sich in Henstedt-Ulzburg ereignet habe. (…)

https://www.nd-aktuell.de/artikel/1168729.schleswig-holstein-rechte-gewalt-braucht-keine-nazis.html/

„Das Demokratiefördergesetz muss echte Perspektiven bieten“ – Zivilgesellschaft stellt eigenen Gesetzentwurf vor

Pressemitteilung der Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung (BAGD)

Berlin, 27. September 2022

Anfang 2023 soll das Demokratiefördergesetz in Kraft treten. Eigentlich sollte es Demokratieprojekte langfristig absichern. Doch was aus der Politik zu hören und den Eckpunkten zu entnehmen ist, ernüchtert:

Geplant ist ein abstraktes Gesetz, das für die Projekte wenig ändern würde. Die „Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung“ (BAGD), ein Zusammenschluss von über 60 zivilgesellschaftlichen Organisationen, legt deshalb einen eigenen Gesetzentwurf vor. Er zeigt, was im Demokratiefördergesetz geregelt sein muss, um Projekten gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus die angekündigte Planungssicherheit zu geben – und damit eine Handlungsempfehlung des NSU-Untersuchungsausschusses umzusetzen, die bereits 2017 im Bundestag fraktionsübergreifend beschlossen wurde.

Der 10-seitige Entwurf sieht unter anderem vor:

  • Das Gesetz benennt konkrete Demokratiegefährdungen und macht klar, aus welchen Richtungen die Demokratie angegriffen wird.
  • Das Gesetz benennt eindeutige Fördergegenstände. Dazu gehören die Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, die Ausstiegsberatung und ihre jeweiligen Dachverbände sowie die Kompetenznetzwerke, die bundesweit verschiedene Formen von Demokratiefeindlichkeit bearbeiten.
  • Das Gesetz regelt verbindlich, dass die Zivilgesellschaft an der Erstellung und Umsetzung der Förderrichtlinien beteiligt wird. Denn die Richtlinien werden ausschlaggebend dafür sein, unter welchen Bedingungen die Fördergelder bei welchen Trägern landen.
  • Für die Umsetzung des Demokratiefördergesetzes wird eine jährliche Summe von 500 Millionen Euro vorgesehen.

Grit Hanneforth, Geschäftsführerin des Bundesverbands Mobile Beratung (BMB):
„Desinformationen, Verschwörungserzählungen und Angriffe auf Kommunalpolitik – in den letzten zwei Jahren ist noch einmal sehr deutlich geworden, dass die Demokratie und die Menschen, die sich für sie einsetzen, in Gefahr sind. Das Demokratiefördergesetz muss daher halten, was es verspricht, und Projekten gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus echte Perspektiven bieten. Unser Gesetzentwurf liefert dafür konkrete Vorschläge. Wir sind uns einig, dass ein gutes Gesetz nur unter Mitwirkung der Zivilgesellschaft entstehen kann. Auch die Förderrichtlinien müssen in Zukunft unter Beteiligung der geförderten Träger erarbeitet, evaluiert und weiterentwickelt werden. Dafür gibt es gute Beispiele, etwa im Bereich des Kinder- und Jugendplans des Bundes. Für die Politik heißt das: Gestaltungsmacht teilen, um Kompetenz zu gewinnen.“

Robert Kusche, Vorstand im Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG e.V.):
„Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt und rechtsterroristischen Attentaten benötigen langfristige, solidarische und professionelle Beratungsstrukturen. Dies ist nur mit einer gesetzlichen Grundlage möglich. Daher haben wir uns im Rahmen der BAGD – ein Zusammenschluss bundesweiter zivilgesellschaftlicher Träger – daran beteiligt, einen zivilgesellschaftlichen Gesetzesentwurf in die Debatte einzubringen. Wir fordern ein modernes und inklusives Demokratieverständnis, einen gesetzlich verankerten Mechanismus zur Beteiligung der Zivilgesellschaft bei der Erstellung von Förderrichtlinien, die klare Benennung der zu fördernden zivilgesellschaftlichen Strukturen und Themen sowie die Festschreibung einer realistischen Mindestsumme, um die Arbeit langfristig abzusichern. Nur so können wir den mannigfaltigen Herausforderungen gerecht werden.“

Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung:
„Die engagierte Zivilgesellschaft braucht Planungssicherheit, die kleinteilige Projektitis muss aufhören. Wir brauchen eine Demokratieinfrastruktur, auf die sich Engagierte und Betroffene rechter Gewalt verlassen können. Ein klar abgestecktes und finanziell unterlegtes Demokratiefördergesetz ist auch die Ansage an den organisierten Rechtsextremismus, dass die demokratische Gesellschaft ihm die Stirn bietet.“

Die Pressemitteilung im Original und Kontaktmöglichkeiten für Nachfragen finden Sie auf der Website unseres Dachverbands VBRG.

Hass-Kommentare im Internet: Sind Ermittler zu lasch?

Recherchen der Sendung ZDF Magazin Royale legen nahe, dass Ermittlungsbehörden Hass-Postings oft nicht konsequent verfolgen – auch in Schleswig-Holstein. Beratungsstellen fordern jetzt Konsequenzen.

(…)Zebra: Opfer von Bedrohungen fühlen sich oft nicht ernst genommen

Nagel fordert zudem, dass Ermittler sich europaweit besser vernetzen. „Wenn das Internet ein rechtsfreier Raum ist, dann führt das dazu, dass Täter sich ermutigt fühlen weiterzumachen“, sagt er. „Das vergiftet das gesellschaftliche Klima und sorgt dafür, dass Betroffene in Angst leben.“

Von einer „Erschütterung des Sicherheitsempfindens“ spricht auch ein Sprecher des Zentrums für Betroffene rechter Angriffe in Kiel, kurz Zebra. Hass-Postings fallen zwar nicht primär in den Tätigkeitsbereich des Vereins. Zebra wird aber aktiv, wenn Menschen direkt bedroht werden – auch im Internet. Immer wieder komme es vor, so ein Sprecher, dass Opfer von Bedrohungen Strafanzeige stellen wollten und sich dabei nicht ernst genommen fühlten. „Manche von ihnen verlieren dann das Vertrauen in den Rechtsstaat.“

Es sei wichtig, dass die Polizei in solchen Fällen stärker die Perspektive der Betroffenen einnehme, meint der Zebra-Sprecher. „Wenn sie eine Anzeige stellen und dabei auf Ablehnung stoßen, kann das dazu führen, dass sie erneut viktimisiert werden, also erneut zum Opfer werden.“ (…)

https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Hass-Kommentare-im-Internet-Sind-Ermittler-zu-lasch,hasspostings114.html/

Konstant hohes Niveau: 77 Fälle von rechter Gewalt im Land

Kieler Nachrichten (28.04.2022)

Rechte Gewalt bewegt sich in Schleswig-Holstein auf einem konstant hohen Niveau. Das geht aus den Zahlen des Betroffenen-Netzwerks Zebra für 2021 hervor. Diese seien dabei nur die Spitze des Eisbergs, sagt Projektleiterin Annika Vajen. Man gehe von einer hohen Dunkelziffer aus.

Das Zentrum für Betroffene rechter Angriffe (Zebra) sieht rechte Gewalt in Schleswig-Holstein auf einem konstant hohen Niveau. 77 Fälle von Körperverletzung, Brandstiftung, Sachbeschädigung oder Bedrohung mit einer politisch rechten, rassistischen oder antisemitischen Motivation hat es 2021 nach einer Auswertung des Betroffenen-Netzwerks im Land gegeben. (…)

(https://www.kn-online.de/Nachrichten/Schleswig-Holstein/Zahlen-fuer-SH-148-Betroffene-von-rechter-Gewalt-im-Jahr-2021)

Zahl rechter Gewalttaten bleibt in SH auf hohem Niveau

Norddeutscher Rundfunk (28.04.2022)

Auch 2021 gab es wieder Dutzende Gewalttaten mit rechten, rassistischen oder antisemitischen Motiven. Das gab „Zebra“, das Zentrum für Betroffene rechter Angriffe, bekannt.

Seit 2017 führt das Zentrum mit Sitz in Kiel ein unabhängiges Monitoring aus. Im Jahr 2021 gab es demnach 77 solcher Gewalttaten, von denen 148 Menschen betroffen waren. In rund der Hälfte der Fälle ging es um leichte, in einem Drittel um schwere Körperverletzung. 2020 wurden bei der Beratungsstelle ähnlich viele – nämlich 79 Gewalttaten – registriert. Die rechten Überfälle passierten flächendeckend in ganz Schleswig-Holstein.

(https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Zahl-rechter-Gewalttaten-bleibt-in-SH-auf-hohem-Niveau,rechtsextremismus454.html)

Rechte Angriffe gegen soziales Engagement – Beratungsstelle ZEBRA bietet Unterstützung

Eine Initiative unterstützt in einer Kleinstadt Geflüchtete und solidarisiert sich auch öffentlich wahrnehmbar. Plakate werden mit rechten Symbolen beschmiert, ein Türschloss wird immer wieder beschädigt und die ehrenamtliche Flüchtlingsbeauftragte wird in Chatgruppen angefeindet. Die Flüchtlingsbeauftragte ist durch den Hass, der ihr entgegenschlägt, in einem Maße belastet, dass sie sich gezwungen sieht, ihr Engagement zunächst einzustellen.

Anderer Fall, anderer Ort: In einer sozialen Einrichtung hängt an einem Fenster ein Poster mit der Aufschrift „Kein Ort für Neonazis“. Immer wieder werden an das Fenster Aufkleber geklebt und Parolen geschmiert. Zudem wird das Fenster zerkratzt und es werden Gegenstände dagegen geworfen. Die Mitarbeiter_innen fühlen sich an ihrem Arbeitsplatz unsicher. Jedes mal, wenn sie zur Arbeit kommen, fragen sie sich: „Was ist diesmal wieder passiert?“.

Rechte Angriffe sind auch in Schleswig-Holstein keine Seltenheit. Im Jahr 2020 konnte die Beratungsstelle für Betroffene von rechten Angriffe – ZEBRA in ihrem Monitoring 79 rechte Gewalttaten feststellen. Die Dunkelziffer dürfte noch deutlich darüber liegen. Dazu kommen alltägliche Angriffe wie Bedrohungen oder kleinere Sachbeschädigungen.

Auch Sozialarbeiter_innen und ehrenamtlich Engagierte werden immer wieder Ziel von rechten Angriffen, da sie sich für Menschen einsetzen, die nicht in ein rechtes Weltbild passen. Seien es Geflüchtete und Migrant_innen, Menschen der LGBTIQ-Community, Menschen mit Behinderungen, Wohnungslose oder nicht-rechte Jugendliche. Durch die Arbeit mit diesen Menschen, werden sie von Rechten als politische Gegner_innen angesehen und angegriffen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Betroffenen sich selbst oder ihre Arbeit als politisch verstehen, denn rechte Angriffe geschehen auf Grund von Zuschreibungen der Täter_innen zu den Betroffenen.

Seit 2015 berät „ZEBRA – Zentrum für Betroffene rechter Angriffe“ Betroffene, Angehörige und Zeug_innen von rechten, rassistischen und antisemitischen Angriffen in Schleswig-Holstein und wird aus Mitteln des Bundesprogramms Demokratie leben und Landesmitteln finanziert. Rechte Angriffe können sich dabei in physischer Gewalt ausdrücken, wie im Falle von Körperverletzungen, Tötungsdelikte oder entsprechende Versuchen. Hinzu kommen Delikte wie Brandstiftungen, massive gezielte Sachbeschädigungen, Bedrohungen oder Nötigungen. Gerade Bedrohungen können dabei auch im digitalen Raum stattfinden.

Das Ziel von ZEBRA: Die Betroffenen sollen bei der Biographisierung des Erlebten, der Verarbeitung des Angriffs und der Bewältigung der Angriffsfolgen unterstützt werden. Ihre Interessen und Bedürfnisse stehen im Mittelpunkt der Beratungstätigkeit. Im Rahmen der Beratung werden die persönlichen Verarbeitungs- und Bewältigungsressourcen der Betroffenen genutzt, um bestehende Ängste und Unsicherheiten zu verarbeiten, Selbstklärung zu erfahren und Krisen zu bewältigen Auch bei weiteren Schritten wie Gängen zur Polizei, zu Gerichtsterminen, Ämtern und Behörden kann ZEBRA die Betroffenen begleiten und unterstützen. Hinzu kommt, dass ZEBRA Betroffene bei der Selbstartikulation unterstützt, um dadurch einen Solidarisierungsprozess in der Gesellschaft anzustoßen. Denn bei der Auseinandersetzung mit rechten Angriffen herrscht häufig eine starke Fokussierung auf die Perspektive der Täter_innen, während die Betroffenen vergessen werden.

Betroffene von rechten Angriffen können sich telefonisch oder per Mail an ZEBRA wenden oder die Onlineberatung nutzen. Weitere Infos auf zebraev.de

(https://www.paritaet-sh.org/aktuelles/publikationen.html?file=files/aktuelles/publikationen/sozial/sozial_1-2022.pdf)

Tipps gegen rechte Netz-Attacken

Drei Opfer-Beratungsstellen gegen rechte Gewalt haben ihr Knowhow und den Erfahrungsschatz ihrer Alltagsarbeit gebündelt und einen Reader mit nützlichen Tipps gegen digitale Angriffe von rechts aufgelegt.

Die Broschüre von „Support“ e.V. (RAA Sachsen), „Zebra“ e.V. (Schleswig-Holstein) und „Opferperspektive“ (Brandenburg) umfasst 16 Seiten und trägt den Namen „Rechte Angriffe im Netz“. Darin werden Fallbeispiele zusammengetragen und verschiedene Handlungsempfehlungen aufgezeigt. Wichtig ist den Herausgeber*innen die Botschaft, dass Opfer kein Einzeldasein fristen, sondern dass es sich um ein leider weit verbreitetes Phänomen handelt, dem Betroffene sich nicht schutzlos ergeben müssen, sondern sich wehren können.

Melderegistersperre als „Erste Hilfe“

Und eine reale Gefahr hat nicht selten ihre Vorgeschichte mit Netz-Veröffentlichungen, was bis hin zu sogenannten Feindeslisten geht. Ob Shitstorm, Beleidigung, Bedrohung, Diffamierung – ob antisemitisch, rassistisch, homo- frauen- oder transfeindlich: All das sorgt für ein Klima der Einschüchterung und Angst. Neben den gezielt attackierten Opfern sind nicht selten Familie, Freundeskreis, Kolleginnen und Nachbarinnen ebenso von der psychischen wie physischen Drohkulisse betroffen.

Die Broschüre nennt konkrete Hinweise, wie die eigene Privatsphäre besser geschützt werden kann, verweist aber auch auf juristische Optionen. So kann die Einrichtung einer Melderegistersperre beim Einwohnermeldeamt bereits ein erster Schritt sein. Wichtig ist vor allem die Dokumentation von Vorfällen wie zum Beispiel das Anfertigen von Screenshots, die als Beweissicherung helfen. Und für die Beratungsstellen gilt: Betroffenen wird Begleitung und Hilfestellung zugesagt.

Corona befeuerte Netz-Bedrohungen

Den Herausgeber*innen ist bewusst, dass gerade bei rechten Netz-Angriffen von einem hohen Dunkelfeld auszugehen ist. Judith Porath, Geschäftsführerin von „Opferperspektive“, sagte bei der Vorstellung der Broschüre, dass insbesondere im digitalen Raum rechte Angriffe seit Beginn der Corona-Pandemie noch einmal eine neue Dimension angenommen hätten.

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