LEICHTE SPRACHE

Aktuelles

Jahresrückblick 2019 – Schleswig-Holstein: Identitäre auf dem Rückzug und ein verhindertes Freiwild-Konzert

Was wird uns von 2019 in Erinnerung bleiben? Für den Belltower.News-Jahresrückblick befragen wir zivilgesellschaftliche Initiativen und Akteur*innen über die Situation in ihrem Bundesland. Torsten Nagel, Regionales Beratungsteams gegen Rechstextremismus der AWO, Lasse von Bergen, Aktion Kinder- und Jugendschutz Schleswig-Holstein e.V. und Kai Stoltmann, zebra – Zentrum für Betroffene rechter Angriffe haben mit uns über Schleswig-Holstein gesprochen. Wie im Rest von Deutschland, ist auch in hohen Norden die Stimmung rassistischer und ausgrenzender geworden. Schon Jugendliche sind zum Teil in rechtsextremen Strukturen organisiert. Aber in Schlewig-Holstein regt sich auch die Zivilgesellschaft und positioniert sich gegen rechte Konzerte und Tattoostudios mit NPD-Verbindungen.

Belltower.News: Was waren in 2019 die wichtigsten Ereignisse in Sachen Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein?
2019 ist der bekannte Rechtsextremist Bernd Tödter wieder zurück nach Bad Segeberg in Schleswig-Holstein gezogen und rekrutiert seitdem massiv Jugendliche im öffentlichen Raum und auch auf Schulhöfen. Er baut gerade in Anlehnung an eine amerikanische Organisation eine Gruppe namens „Aryan Circle“ auf. Das ist aktuell das Thema, das die Region in Atem hält. Tödter halten wir ohnehin für gefährlich, dazu kommt seine rechtsextreme Ideologie.

In Bad Segeberg werden Vertreter der Zivilgesellschaft massiv unter Druck gesetzt. Es kommt zu Bedrohungen und tätlichen Angriffen, die sich meist gegen politische Gegner und Menschen richten, die von Rassismus betroffen sind. Durch die Aktivitäten dieser extrem rechten Gruppe rechnet unsere Opferberatungsstelle auch weiterhin mit großen Unterstützungsbedarfen aus dem Kreis Segeberg.

Allgemein haben sich die Einstellungen gegenüber Geflüchteten oder gegenüber People of Colour nach rechts verschoben, die Stimmung ist rassistischer geworden. Diese Einstellungen haben sich in der Mitte der Gesellschaft verfestigt. Dadurch gibt es schnelle und einfache Andockmöglichkeiten bei Jugendlichen. Das ist ein Boden auf dem Agitation erfolgreich ist.

Merkt ihr das in eurer täglichen Arbeit?
Es gibt deutlich mehr Fälle in der Beratungsarbeit, bei denen es um rassistische Vorfälle an Schulen oder Betrieben geht. Mitschüler*innen mit Migrationshintergrund werden zum Teil aufs übelste diskriminiert. In WhatsApp-Gruppen von Schüler*innen wird immer wieder der Nationalsozialismus verherrlicht und im Nachgang dann gegen Geflüchtete und eben auch gegen Mitschüler*innen gehetzt.

Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen hat in Schleswig-Holstein für eine Studie Schüler*innen von der siebten bis zur neunten Klasse zu Einstellungsmustern und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit befragt. Die Ergebnisse sind erschreckend und leider deutlich. Es zeigt sich, dass 8,8 Prozent der Befragten Mitglied in einer rechtsextremen Kameradschaft, Clique oder Gruppierung sind. Dabei zeigt sich auch, dass Rechtsextreme weiterhin auf Schulhöfen agitieren.

In der gleichen Studie berichten 22,3 Prozent der Schüler, dass sie bestimmte Orte meiden, damit sie keine Probleme bekommen. Somit schaffen rechte und rassistische Angriffe Angsträume, die sich negativ auf die Lebensqualität der Betroffenen auswirken. Diesbezüglich belegen die Zahlen der Regionalanalyse vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen eine erschreckende Dimension.

Wie sieht es mit Rechtsrock und ähnlichen Veranstaltungen in Schleswig-Holstein aus?
Neumünster hat das Kulturzentrum Titanic, ein dezidiert rechter Raum, der als Durchlauferhitzer für den Nachwuchs funktioniert. Dort finden Konzerte statt, ansonsten ist es aber auch ein Treffpunkt. Die Bands, die dort spielen, kommen zum Teil auch aus dem Blood & Honour-Umfeld. Dazu kommen Anmietungsversuche für Konzerte oder andere Veranstaltungen. Generell versuchen die Akteur*innen sich ein nach außen bürgerliches Image zu geben und darüber mit Menschen in Kontakt zu kommen. Ähnliche Strategien sieht man zum Beispiel in rechten Kampfsportgruppen, wo ein Raum geboten wird, der dann aber auch zur politischen Agitation nach rechtsaußen benutzt wird.

Zusätzlich boten aber auch Konzerte von bekannten Bands wie Frei.Wild oder den Böhsen Onkelz eine Grauzone, in welcher Rechtsextreme sich relativ sicher fühlen und auch entsprechend offen auftreten konnten.

Wer sind die wichtigsten Rechtsaußen-Akteure?
Es sind eher klassische Neonazi-Strukturen, die sich weiter halten, meist mit relativ wenigen Akteuren, die eher regional arbeiten. Dabei gibt es aber Verbindungen nach Kiel, Lübeck, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. Es gibt Verbindungslinien zwischen dem klassischen, älteren, rechtsextremen Milieu, die gute Kontakte haben und sich eher im Hintergrund aufhalten und zum Beispiel dem Rocker-Milieu nahestehen. Das zeigt sich ganz aktuell um den Fall eines Tattoo-Studios in einem Einkaufszentrum in Neumünster. Dort soll der frühere NPD-Landesvorsitzende Peter Borchert die Fäden in der Hand halten. Dem Studio wurde jetzt die Ladenfläche gekündigt.

Die Identitäre Bewegung ist im Land in diesem Jahr eher zurückhaltend gewesen. In Flensburg tauchte in diesem Jahr ein Kleinstverlag auf, in dem mit „Die Abenteuer von La Banda Reconquista: 3,2,1 – Peng!“ bisher ein Identitären Comic erschien. In Kiel gab es im Spätsommer im Rahmen einer bundesweiten Aktionswoche eine Flyer-Aktion über angebliche „No-Go-Areas“. Aber ansonsten ist die IB im Bundesland eher schwach aufgestellt.

In Schleswig-Holstein ist vor allem in Neumünster die NPD weiter aktiv. In Schleswig-Holstein haben wir einige rechtsextreme Verlage mit bundesweiter Ausstrahlungskraft.

Wie gibt sich die AfD in Schleswig-Holstein?
Mit der mittlerweile rausgeworfenen Doris von Sayn Wittgenstein gab es eine Vorsitzende mit ganz offenen Beziehungen zum Rechtsextremismus. Innerhalb der Partei gibt es offenbar Machtkämpfe zwischen angeblich gemäßigten Teilen und Mitgliedern, die der ehemaligen Vorsitzenden nahestehen. Selbst nachdem sie die Partei verlassen musste, haben sich noch ganze Kreisverbände zu ihr bekannt. Ferner positionieren sich einige Kreisverbände auf der Linie des rechtsextremen Flügels und posten auf den jeweiligen Facebook-Seiten mitunter massiv menschenverachtende und verschwörungstheoretische Beiträge.

Die Partei veranstaltet im Landtag regelmäßig eine Veranstaltung namens „Fraktion im Dialog“ und lädt immer wieder Redner ein, die der Neuen Rechten zuzuordnen sind.

Der Pressesprecher der AfD ist auch der Sprecher eines Vereins namens „Echte Toleranz“, der sich vor allem gegen die sogenannten „Schlau“-Workshops einsetzt, mit denen an Schulen Wissen zum Thema sexuelle Vielfalt vermittelt werden soll.

Die Partei versucht mit Frauenhäusern oder Frauenberatungsstellen Allianzen zu bilden, bei denen es in der Regel darum geht, Gewalt gegen Frauen als reines Problem von Zugewanderten darzustellen. Erfolgreich ist das weitestgehend nicht, es gibt da in der Regel sehr klare fundierte Positionierungen von Beratungsstellen. Das wird sicherlich ein Thema sein, dass uns auch im nächsten Jahr weiterbeschäftigen wird.

Gab es positive Ereignisse für euch?
Anfang des Jahres sollte in Flensburg ein Konzert der Band Freiwild stattfinden. Dagegen hat sich sehr schnell und sehr massiv Widerstand geregt. Es gab ein großes Bündnis, „Kein Hafen für Nationalismus“. Die Oberbürgermeisterin Simone Lange hat sich sehr klar positioniert und sich geweigert einer rechtsaffinen Band wie Freiwild städtische Räume zur Verfügung zu stellen, weil die vertretenen Meinungen konträr zum Image von Flensburg stehen. Freiwild konnte dann auch tatsächlich nicht in der Flensburger Arena auftreten. Die Schattenseite der Geschichte ist, dass die Band vor kleinerem Publikum im Rahmen einer „Kundgebung“ im April auftrat und ein paar Songs spielte. Trotzdem ist das ein gutes Beispiel für andere Kommunen.

Aus Betroffenenperspektive würden mir aus dem Kreis Segeberg positive Ereignisse einfallen. So hat sich etwa in der nahegelegenen Gemeinde Sülfeld ein breites Bündnis mit den Opfern von rechter Gewalt solidarisiert. Getragen von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Akteuren wurden beispielsweise rechte Sticker von „Aryan Circle“ wieder entfernt. Bei einem Spiel des örtlichen Handball-Frauenteams haben 800 Menschen ein Zeichen für eine offene Zivilgesellschaft gesetzt und auch der Sülfelder Pfarrer hat sich mehrfach gegen rechte Gewalt positioniert, um den Betroffenen den Rücken zu stärken.

(https://www.belltower.news/jahresrueckblick-2019-schleswig-holstein-rechtsextreme-schuelerinnen-identitaere-auf-dem-rueckzug-und-ein-verhindertes-freiwild-konzert-94167/)

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Brennende Republik Deutschland

Am 18. Januar 2021 jährt sich der Brandanschlag in der Lübecker Hafenstraße zum 25. Mal. Die schwere Brandstiftung zu einer Zeit, als in der ganzen Republik Asylunterkünfte in Brand gesteckt wurden, ist bis heute ungenügend aufgeklärt, der Mord an zehn Menschen bis heute ungesühnt. Einseitige und von Pannen geprägte Ermittlungen werfen nach wie vor Fragen auf. Kristof Warda erinnert an die Geschehnisse im Januar 1996 und an die Geschichte rassistischer Gewalt in der alten und neuen Bundesrepublik

Vollständiger Artikel unter: https://schleswig-holstein.sh/blog/2020/12/06/brennende-republik-deutschland-luebecker-brandanschlag/ und https://schleswig-holstein.sh/blog/2020/12/06/rechte-angriffe-in-schleswig-holstein/

Zeitzeug*innen-Gespräch zu „Rassismus, migrantische Selbstorganisation und der Mauerfall“ anlässlich der Webdokumentation:  https://gegenuns.de

Pressemitteilung des VBRG – Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V. vom 01.10.2020

Livestream der Paneldiskussion aus Erfurt am 8.10.2020 von 19:00 – 20:30: www.gegenuns.de/diskussionmit: Garip Bali (Berlin), Rashid Jadla (Erfurt), Angelika Ngyuen (Berlin), José Paca (Erfurt) moderiert von Ceren Türkmen (VBRG)

Mit dem Zeitzeug*innen-Gespräch zur Webdokumentation gegenuns.de erinnern die Thüringer Opferberatungsstelle ezra, der Verband für Beratungsstellen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) in Kooperation mit dem Aktionsbündnis Antira Berlin (ABA) an Alltagserfahrungen mit rechter Gewalt, Rassismus und Nationalismus und migrantischer Selbstorganisation, die im Windschatten der Feierlichkeiten zum 30. Jubiläum des Mauerfalls allzu oft in Vergessenheit geraten. Die Berichte der Zeitzeug*innen der Paneldiskussion bilden ein wichtiges Gegennarrativ zu den überwiegenden Erzählungen der Jubiläumsfeierlichkeiten zur deutschen Einheit.

„Rechte Gewalt und Rassismus haben sich in Thüringen – wie in allen ostdeutschen Bundesländern – seit dem Mauerfall auf einem erschreckend hohen Niveau normalisiert. Das häufigste Tatmotiv ist dabei Rassismus. Darin besteht eine Kontinuität bis in die Zeit vor 1990. Die Erfahrungen von Rashid Jadla und José Paca, Angelika Nguyen und Garip Bali stehen stellvertretend für die Erfahrungen vieler Menschen, die gegen den alltäglich erlebten Rassismus unterschiedlichste Formen des selbstorganisierten Widerstands entwickelt haben. Dies wird in der Paneldiskussion und der Webdokumentation gegenuns.de sichtbar“, betont ezra-Projektkoordinator Franz Zobel.

Das Diskussionspanel findet im Rahmen der Webdokumentation www.gegenuns.de statt, eines von 30 nominierten Projekten bei der Preisverleihung des Bürgerpreises „Einheitspreis“. Die Preisverleihung wird am 2. Oktober 2020 online stattfinden: www.einheitspreis.de. Die Dokumentation „Gegen uns. Betroffene im Gespräch über rechte Gewalt nach 1990 und die Verteidigung der solidarischen Gesellschaft“ berichtet in einzelnen Episoden über Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt und über ihre persönlichen Erfahrungen von Gewalt, Ausgrenzung und Kriminalisierung, aber auch von gelebter Solidarität und erfolgreichem Widerstand. Fotos, zeitgeschichtliche Dokumente und Hintergrundtexte ergänzen die Erzählungen und zeigen den gesellschaftlichen Kontext, in dem rechte Gewalt stattfindet. Die zweite Episode fokussiert das Leben in der Thüringer Landeshauptstadt Erfurt. Zentrale Akteure sind Rashid Jadla und José Paca.

Die Diskussion am 8.10. wird von 19 bis 20:30 Uhr per Livestream übertragen. In Berlin findet ein kostenfreies, aber pandemiebedingt anmeldepflichtiges Public Viewing im Kino Central in Berlin-Mitte statt.

Veranstaltungs-Livestream: www.gegenuns.de/diskussion

Anmeldung für Public Screening: info@verband-brg.de

www.verband-brg.de / www.ezra.de / www.facebook.com/AktionAntira

Zur Webdokumentation gegenuns.de:

Webdokumentation „Gegen uns“, Episode „Rassismus, rechte Gewalt und Migrantifa in Erfurt“: https://gegenuns.de/rashidjadla/

Anhand von ausgewählten Porträts, Interviews und zeitgeschichtlichen Dokumenten aus unterschiedlichen Bundesländern dokumentiert #gegenuns auch vielfältige Formen von Widerstand und Solidarität. Veröffentlicht wurden bisher Porträts des 1991 in Dresden bei einem Neonazi-Angriff getöteten ehemaligen Vertragsarbeiters Jorge Gomondai (https://gegenuns.de/jorge-gomondai/) und des Erfurter Rappers Sonne Ra. Am 26. Oktober 2020 folgt eine Episode zu der 2007 in Dresden aus antimuslimischem Rassismus getöteten Apothekerin Marwa El-Sherbini. Jede Episode dokumentiert neben der lebensbiographisch-persönlichen Erzählung auch die strafrechtliche (Nicht-)Aufarbeitung, die Erinnerungspolitik vor Ort und die persönliche und zivilgesellschaftliche Aufarbeitung.

Hintergrundinformationen zu teilnehmenden Zeitzeug*innen:

Rashid Jadla wurde 1978 in Erfurt geboren. Er ist Sohn eines algerischen Vertragsarbeiters und einer DDR-Bürgerin. Auf gegenuns.de erzählt er von Ausgrenzung, Rassismus und den Diskriminierungserfahrungen, die er bereits als Kind in der DDR erleben musste, aber auch von gelebter Solidarität und Widerstand. Rashid beginnt sich nach der Maueröffnung mit anderen Menschen, die ebenfalls von Rassismus betroffen sind, zu organisieren und findet bald Kraft im Hip-Hop. Er organisiert Hip-Hop-Partys und schafft so sichere Räume, in denen migrantische Jugendliche fernab ihres Alltags nicht ständig mit Diskriminierung konfrontiert sind. Rashid rappt bis heute unter dem Namen „Sonne Ra“. Demnächst erscheint sein neues Album „Superposition“.

José Paca wurde 1961 in Angola geboren. Seit seinem 18. Lebensjahr arbeitete er für die damalige angolanische Regierung als Verwaltungsbeamter, bevor er 1989 wenige paar Monate, bevor die Mauer fällt, als Austauschstudent nach Erfurt in die letzten Monate der DDR kommt. In „Gegen uns“ erzählt José Paca von menschenverachtenden, rassistischen Verhalten, mit dem er in der DDR und nach dem Mauerfall im wiedervereinigten Deutschland konfrontiert wird. Die Notwendigkeit der Vernetzung von Migrant*innen und die Stärke, die daraus erwächst, sind José Pacas Lebensthema. 2014 wurde er dafür mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Er war und ist zudem ein wichtiger Mentor für Rashid Jadla und andere von Rassismus betroffene Jugendliche in Erfurt. José Paca ist langjähriger Vorsitzender des Ausländerbeirats in Erfurt, Vorsitzender des Vereins „Afro Sport“ und Vorstandsvorsitzender des Dachverbands der Migrant*innenorganisationen in Ostdeutschland (DaMOst).

Angelika Nguyen wurde in der DDR als Kind deutsch-vietnamesischer Eltern geboren und studierte Filmwissenschaft an der Filmhochschule Babelsberg. Sie drehte 1992 den Dokumentarfilm „Bruderland ist abgebrannt“ über die Erfahrungen vietnamesischer Migrant*innen in Ostberlin. Ihr Essay „Mutter, wie weit ist Vietnam?“ über den Rassismus in ihrer Kindheit erschien 2011 in dem Sammelband „Kaltland“ im Rotbuchverlag. Sie arbeitet als Autorin, Referentin und Filmjournalistin und schreibt u.a. für ZEIT-Online, Jalta, telegraph.cc, WerkstattGeschichte. Sie ist Mitglied bei korientation e.V., einem Netzwerk für asiatisch-deutsche Perspektiven und im Kuratorium des Hauses für Demokratie und Menschenrechte.

Garip Bali lebt seit Anfang der 1971 in Berlin. Seine Eltern migrierten Ende der 1960er-Jahre als kurdisch-alevitische Gastarbeiter*innen nach Berlin. Er studierte Elektrotechnik an der Technischen Universität Berlin und engagierte sich bereits seit den 1970ern und 1980er Jahren im „Arbeiter- und Jugendverein aus der Türkei“. Garpi Bali gehört zu den Mitbegründern des Vereins ADA, der sich in den 1990er Jahren mit Antirassismus und Antifaschismus auseinandersetzte. 2004 schließt sich der Verein mit anderen Gruppen aus ähnlichen Kontexten zum „Allmende – Haus alternativer Migrationspolitik“ zusammen, wo er bis heute aktiv ist. Sie organisieren antirassistische Kampagnen, Veranstaltungen und Aktionen und sind Herausgeber der Zeitschrift „Inisiyatif – gegen Faschismus und Rassismus“ auf Türkisch/Deutsch.

ezra arbeitet in Trägerschaft der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Seit April 2011 unterstützt die Beratungsstelle Menschen, die angegriffen werden, weil Täter*innen sie einer von ihnen abgelehnten Personengruppe zuordnen. Finanziert wird die Opferberatungsstelle über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit „DenkBunt“.

Beratungsteam gegen Rechtsextremismus beobachtet Verlagerung in Soziale Medien

Rechts schläft auch in Corona-Zeiten nicht. Das berichtet die Anlaufstelle für Steinburg, Pinneberg und Dithmarschen.

Vollständiger Artikel unter:www.shz.de/28354147

Kreis Segeberg ist Brennpunkt rassistischer Gewalt

Zu diesem Fazit kommt der Verein „Zebra“, der Taten in Schleswig-Holstein aus 2019 ausgewertet hat. Der Prozess gegen einen mutmaßlichen Neonazi wird am Mittwoch in Neumünster fortgesetzt.

Vollständiger Artikel unter: https://www.ln-online.de/Lokales/Segeberg/Kreis-Segeberg-ist-Brennpunkt-rassistischer-Gewalt

113 Bürger von Rechtsextremen attackiert

2019 waren deutlich mehr Menschen in Schleswig-Holstein rechter Gewalt und Bedrohung ausgesetzt als im Jahr zuvor. Das geht aus der aktuellen Auswertung des Zentrums für Betroffene rechter Angriffe (Zebra) in Kiel hervor. Eine Ursache für den Anstieg sei die rechtsextreme Gruppierung Aryan Circle.

Vollständiger Artikel unter: www.kn-online.de/Nachrichten/Schleswig-Holstein/113-Buerger-wurden-2019-in-Schleswig-Holstein-von-Rechtsextremen-attackiert

Mehr als 1000 Rechtsextreme in Schleswig-Holstein

Die Zahl der Rechtsextremen ist im Norden leicht rückläufig. Das heiße jedoch nicht, dass die Gefährdung geringer werde, warnt das Innenministerium.

„In der rechten Szene gibt es ein sehr großes Dunkelfeld“, sagt Kai Stoltmann, Berater beim Zentrum für Betroffene rechter Angriffe (Zebra) in Kiel. „Wir als Beratungsstelle bekommen von immer mehr Gewalttaten mit. 2019 haben wir einen neuen Höchststand an Beratungsgesprächen erreicht.“ Bereits seit 2015 befinde sich die rassistische Gewalt in Schleswig-Holstein auf einem erhöhten Niveau.

Zu den Beratungsgesprächen kämen laut Stoltmann vor allem zwei Gruppen Menschen: Migranten und Geflüchtete sowie Lokalpolitiker oder Menschen, die sich engagieren und aufgrund ihres Engagements von rechtsradikalen bedroht würden. „Das geht von gezielter Sachbeschädigung und Körperverletzungen bis hin zu versuchten Morden“, sagt Stoltmann. „Es ist schockierend. Das Schlimme ist, dass so etwas jederzeit und überall passieren kann und gleichzeitig so unvorhersehbar ist.“

Vollständiger Artikel unter: https://www.ln-online.de/Nachrichten/Norddeutschland/Ueber-1000-Rechtsextreme-in-Schleswig-Holstein

Wir trauern um die Opfer des rassistischen Attentats von Hanau: Yas tutuyoruz Em xemgîn

Pressemitteilung des VBRG – Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt vom 20.02.2020

Unsere Solidarität gilt allen, die von rassistisch, antisemitisch und rechts motiviertem Terror und Gewalt betroffen sind: den Hinterbliebenen, den Verletzten, den Überlebenden und den angegriffenen Communities. Unsere Trauer ist gepaart mit unendlicher Sorge vor weiteren rechtsterroristischen Attentaten

Berlin/Frankfurt, den 20.2.2020

Wir trauern um die neun Menschen, die gestern Abend in Hanau von einem rassistischen Attentäter ermordet wurden. Wir trauern mit ihren Familien, ihren Freund*innen, ihren Liebsten.

Hanau steht in einer traurigen Kontinuität rechten Terrors der letzten Monate, Jahre und Jahrzehnte. Daher trauern wir heute auch mit allen, die in den letzten Monaten, Jahren und Jahrzehnten ihre Angehörigen und Freund*innen bei rassistischen, rechtsterroristischen und antisemitischen Attentaten und Angriffen verloren haben: insbesondere mit den Überlebenden und Verletzten des Attentats in Halle/S., mit den Hinterbliebenen der Mordopfer des NSU und den Überlebenden der NSU-Bombenattentate. Wir trauern mit den Hinterbliebenen und Verletzten des rassistisch und rechts motivierten OEZ-Attentats in München und mit den Hinterbliebenen von Walter Lübcke.

„Neun Menschen wurden gestern Nacht in Hanau ermordet, weil offener Rassismus, die Ideologie einer ‚White Supremacy’ und die permanente Stigmatisierung von Orten wie Shisha-Bars, in denen sich die offene Gesellschaft trifft, dem Täter als Vorlage gedient haben,“ sagt Olivia Sarma von der Beratungsstelle response in der Bildungsstätte Anne Frank. Rassismus und Antisemitismus waren auch die Tatmotive des Attentäters von Halle/S. , des Netzwerks des NSU, des Netzwerks der „Gruppe Freital“, der Gruppe Revolution Chemnitz und zahlloser anderer rechtsterroristischer Netzwerke und Gruppen. Der Antifeminismus und Frauenhass, der auch im Bekennerschreiben des Täters von Hanau offen zu Tage tritt, zeigt sich in der Ermordung der eigenen Mutter.

„Der rassistische Terror in Hanau wurde auch deshalb möglich, weil Verharmlosung rassistischen, rechten und antisemitischen Terrors, das Narrativ von Einzeltätern und die mangelnde konsequente Strafverfolgung nach rechten Gewalttaten und rassistischen Terror die Täter von Hanau und Halle/S. ermutigt haben“, sagt Dr. Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank.

„Unsere Trauer ist gepaart mit unendlicher Sorge: Denn wir wissen, dass das Klima des rassistischen und antisemitischen Hasses, das durch die parlamentarischen Wegbereiter und Apologeten rechten Terrors und durch sehr viele Schreibtischtäter geschürt wird, weitere Täter und Tätergruppen ermutigen wird, die sich als Teil einer internationalen rassistischen Bewegung der White Supremacy begreifen“, betont Robert Kusche, Vorstandsmitglied des VBRG e.V. und Geschäftsführer der Opferberatung der RAA Sachsen. „Wir wissen, dass täglich drei bis vier rechts, rassistisch und antisemitisch motivierte Gewalttaten verübt werden. Und wir wissen, dass viele der Angegriffenen mit einer rassistischen und antisemitischen Täter-Opfer-Umkehr konfrontiert sind, bei denen Polizeibeamte und Justiz den Betroffenen eine Mitschuld geben.“

„Wir brauchen jetzt den Schutz der offenen Gesellschaft und aller Menschen, die hier leben, unabhängig von vermeintlicher Herkunft, religiöser Überzeugung, Zugehörigkeit, gesellschaftlichen Status, Beeinträchtigung und Geschlecht“, sagt Robert Kusche. „Politik und Strafverfolgungsbehörden müssen Rassismus und rechten Terror endlich ernst nehmen – dabei müssen die Perspektive der Angegriffenen und Bedrohten, ihre Forderungen und Erfahrungen im Mittelpunkt stehen! Dazu gehört auch, statt von Einzeltätern zu reden, endlich bewaffnete Neonazinetzwerke zu entwaffnen.“

Weitere Informationen und Kontakt:

Dr. Meron Mendel / Marie Sophie Adeoso, Bildungsstätte Anne Frank: Tel.: 069 / 56 000 232, mmendel@bs-anne-frank.de; madeoso@bs-anne-frank.de

Robert Kusche, Vorstandsmitglied im VBRG e.V. und Geschäftsführer der Opferberatung der RAA Sachsen e.V.: robert.kusche@raa-sachsen.de

(https://www.verband-brg.de/pressemitteilung-20022020-trauer-nach-rassistischen-anschlag-in-hanau/)

Interview mit zebra

Am 21. November 2019 hatten wir aus Anlass unseres fünfjährigen Bestehens zu einem Jubiläumsempfang in den Kieler Anscharpark geladen. In diesem Rahmen hat die Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein mit unserem Berater Kai Stoltmann ein Interview zur Arbeit von zebra geführt: https://tinyurl.com/wm652vk

Moin Kai. Der Verein zebra – Zentrum für Betroffene rechter Angriffe, betreut und berät Menschen, die von rechten, rassistischen und antisemitischen Angriffen betroffen sind. Um welche Arten von Angriffen geht es und wer sind die Opfer?

Grundsätzlich geht es bei rechten Angriffen um Bedrohungen, Nötigungen, gezielte Sachbeschädigungen, Körperverletzungen, Brandstiftungen oder Tötungsdelikte, die einen politisch rechten Hintergrund haben. In den letzten Jahren bezog sich dieses Phänomen insbesondere auf politische Gegner und auf Menschen, die von Rassismus betroffen sind. Darüber hinaus kann es aber auch Menschen mit Behinderung treffen, LGBTIQ*, Obdachlose oder Angehörige von nicht-rechten Subkulturen. Die Liste ließe sich noch fortsetzen. 

Regelmäßig kennen Täter und Betroffene sich nicht im Vorfeld, sondern es kommt bei einer zufälligen Begegnung im öffentlichen Raum zu einem Angriff. Dabei schreiben Täter den Betroffenen die Zugehörigkeit zu einer Gruppe zu, die nicht ins rechte Weltbild passt. Zum Teil basiert diese Zuschreibung auf äußeren Merkmalen, etwa einer dunkleren Hautfarbe oder eines „Gegen Nazis“-Buttons. Rechte Angriffe stellen so Botschaftstaten da, die sich nicht nur gegen die direkt Betroffenen sondern an die zugeschriebene Gruppe richten.

Auf welchen Grundsätzen basiert diese Arbeit?

Zentral für unsere Arbeit sind insbesondere drei Schlagwörter: Vertraulichkeit, Parteilichkeit und Unabhängigkeit. Jene Informationen, die uns in einem Beratungsgespräch anvertraut werden, sind bei uns sicher. Wir stehen nicht als eine neutrale Instanz zwischen dem Täter und den Betroffenen, sondern klar an der Seite der Betroffenen. Beides ist von entscheidender Bedeutung, damit sich die Menschen nach einem Angriff bei uns gut aufgehoben fühlen können. Darüber hinaus ist unser Verein als Träger der Sozialen Arbeit unabhängig von staatlichen Instanzen, insbesondere natürlich von der Polizei oder den Gerichten. 

Wie erreicht ihr die Menschen und was sind eure Hilfsangebote?

Um die Hürde für die Betroffenen möglichst gering zu halten, gehen wir unsererseits aktiv auf die Opfer zu. In der Praxis recherchieren wir gezielt nach rechten Angriffen und sprechen die Betroffenen dann an, ob sie Unterstützung benötigen. Bei unserer Recherche greifen wir auf Soziale Medien und Zeitungen zurück, wir haben die Meldungen der Polizei im Blick und wir sind viel mit Vernetzungspartnern in Kontakt, die gute Kontakte zu potentiellen Betroffenen haben. Unser Angebot für die Betroffenen wird dann individuell auf die jeweilige Situation abgestimmt. Häufig geht es dabei zum Beispiel um die Wiederherstellung des Sicherheitsgefühls, das durch einen solchen Angriff massiv beeinträchtigt werden kann. In anderen Fällen begleiten wir die Betroffenen mit zur Polizei oder zu den Gerichtsterminen, wo die Betroffenen erneut auf die Täter treffen. Darüber hinaus unterstützen wir dabei, Entschädigungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen, um die finanziellen Folgen einer solchen Tat abzufedern. Auf einer abstrakteren Ebene geht es also darum, die Betroffenen bei der Bewältigung der Tatfolgen zu helfen.

Wie seid ihr vernetzt und welche Bedeutung haben diese Partner*innen für eure Arbeit?

Wir versuchen in ganz Schleswig-Holstein mit Betroffenengruppen, Communities und Multiplikatoren vernetzt zu sein. In der Praxis umfasst unser Netzwerk unterschiedliche Akteure von Moscheevereinen über LGBTIQ*-Gruppen bis hin zu kirchlichen Akteuren, Lokalpolitikern oder Menschen und Initiativen, die sich für Demokratie und Menschenrechte und gegen rechte Hetze einsetzen. Der Wert dieser Partnerinnen und Partner für unsere Arbeit kann kaum überschätzt werden. Wir sind gerade in den ländlichen Regionen stark auf Akteure vor Ort angewiesen, die uns über rechte Angriffe informieren und die Betroffenen auf das Angebot von zebra hinweisen. Deswegen begreifen wir unsere Vernetzung stets auch als eine kontinuierliche Beziehungsarbeit. 

Mit welchen Problemen seid ihr derzeit beschäftigt, worum geht es in euren aktuellen Debatten?

Im Zentrum unserer internen Debatten steht natürlich stets eine qualitative Weiterentwicklung unserer Beratungsqualität. Dabei geht es letztlich immer um die Frage, wie wir die Betroffenen noch besser unterstützen können. Auch in der Öffentlichkeit melden wir uns immer wieder zu Wort, damit die Opferperspektive in der medialen Berichterstattung berücksichtigt wird. Im vergangenen Jahr haben wir uns beispielsweise zum staatlichen Umgang mit rechten Feindeslisten geäußert. Auch wenn es in einer Gemeinde verstärkt zu rechten Angriffen kommt, lenken wir den Fokus die Belange der Betroffenen. 

Gibt es fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse zu rechter Gewalt in Schleswig-Holstein? Wo siehst du zentralen Forschungsbedarf?

Bisher gibt es kaum wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Dimensionen von rechten Angriffen in Schleswig-Holstein. Es wurde jedoch kürzlich eine Regionalanalyse zum Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein vorgestellt. Diese bestätigt quantitativ jene Beobachtung, die wir in den vergangenen Jahren bereits gemacht haben: Rechte Gewalt ist ein Alltagsphänomen, von dem Menschen in der ganzen Breite dieses Bundeslandes betroffen sind. So haben 12,6 % der befragten Schülerinnen und Schülern schon einmal irgendeine Form von rechter Diskriminierung oder Gewalt erfahren. 22,3 % der Befragten haben sogar angegeben, dass Sie bestimmte Orte meiden, weil Sie dort Probleme mir Rechten bekommen würden. Diese Zahlen belegen eine erschreckende Dimension der Auswirkungen von rechter Gewalt auf Menschen, die zwischen Pinneberg und Flensburg groß werden.

Wie viele Betroffene habt ihr in den letzten Jahren beraten?

In den letzten Jahren ist die Anzahl der Betroffenen, die bei uns Unterstützung erhalten, kontinuierlich angestiegen. Allein dieses Jahr waren bisher um die 100 Menschen bei uns in der Beratung. Dabei haben wir es immer mehr mit komplexen Beratungsgesprächen zu tun, wenn etwa ganze Familien angegriffen werden oder Geflüchtete schon vorher durch Traumata belastet waren. Von der Kontaktaufnahme bis zum Fallabschluss können unter Umständen mehrere Jahre vergehen, insbesondere wenn wir die Betroffenen zu Gericht begleiten oder es in der Beratung um Entschädigungsmöglichkeiten geht.

Wie wird sich aus deiner Sicht der Beratungsbedarf in diesem Feld in den nächsten Jahren entwickeln? Was sind die Gründe für deine Prognose?

Als wir unser Projekt vor fünf Jahren gestartet haben, haben wir und viele andere Beratungsstellen von einer Welle rechter Gewalt gesprochen. Mittlerweile müssen wir leider feststellen, dass sich rechte und rassistische Angriffe seit dem Sommer der Willkommenskultur 2015 auf einem hohen Niveau eingependelt haben. Aus der Welle rechter Gewalt ist gewissermaßen ein dauerhafter Anstieg des Meeresspiegels geworden. Dementsprechend rechnen wir auch in den kommenden Jahren nicht damit die Anzahl der Betroffenen zurückgehen wird. Gerade die rassistische Alltagsgewalt, die in ihren Auswirkungen auf die Betroffenen nicht unterschätzt werden sollte, wird sich wohl auch in Zukunft weiter fortsetzen.