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Die Perspektive der Betroffenen: Ein Interview mit ZEBRA e.V.

Hanau, Halle und Walter Lübcke sind nur einige Beispiele der zahlreichen rechtsextremen Anschläge, die in den letzten Jahren geschehen sind. In Schleswig-Holstein sind im Jahr 2020 79 rechte, rassistische und antisemitische Angriffe von ZEBRA verzeichnet worden. Trotz der Pandemie ist dies ein Anstieg zum Vorjahr. Seit 2015 befinden sich die Zahlen rechter Gewalttaten auf einem konstant hohen Niveau. Immer noch stehen nach solchen Vorfällen die Täter:innen, ihre Biografien und politischen Ansichten in öffentlichen Debatten im Vordergrund. Dagegen legen einige Vereine bewusst den Fokus auf die Perspektive der Betroffenen. 

Dazu zählt auch ZEBRA e.V., das Zentrum für Betroffene rechter Angriffe. ZEBRA ist eine unabhängige Beratungsstelle, die Betroffene, Angehörige und Zeug:innen von rassistischen, antisemitischen und anderen rechten Gewalttaten in Schleswig-Holstein landesweit unterstützt. Gegründet wurde der Verein 2014 und wird aus Mitteln des Bundesprogramms Demokratie leben und Landesmitteln finanziert. Im Interview sprechen wir mit Helena Hofmann von ZEBRA über ihre Arbeit, rechte Gewalt in Schleswig-Holstein und Möglichkeiten, sich mit Betroffenen zu solidarisieren. 

Wir sprechen hiermit eine Triggerwarnung aus: Im folgenden Artikel werden Gewalt und rechte Straftaten thematisiert. 

DER ALBRECHT: Was genau fällt unter rechte Angriffe? 

Helena Hofmann: Das kann unterschiedlich aussehen. Gemeinsam ist rechten Angriffen, dass in ihnen gesellschaftliche Macht- und Ausgrenzungsverhältnisse zum Ausdruck kommen und sie sich gegen bestimmte gesellschaftliche Gruppen richten. Diese Gruppen können Migrant:innen, People of Color oder Jüd:innen sein. Außerdem sogenannte politische Gegner:innen von Rechten wie linke Gruppen oder Lokalpolitiker:innen, die sich gegen Rechts engagieren und Journalist:innen, die über entsprechende Themen berichten und sich aktiv positionieren. Rechte Gewalt richtet sich aber auch gegen Wohnungslose, Menschen mit Behinderung und Menschen der LGBTI-Community.  
Hierbei ist wichtig, dass die Übergriffe immer aufgrund der Zuschreibungen der Täter:innen geschehen, nicht aufgrund tatsächlicher Merkmale oder einer Selbstzuordnung der betroffenen Menschen zu diesen Gruppen. Rechte Angriffe müssen sich nicht zwingend in physischer Gewalt ausdrücken. Körperverletzungen, Tötungsdelikte oder entsprechende Versuche sind nur ein Bereich. Zusätzlich können es zum Beispiel Brandstiftungen, massive gezielte Sachbeschädigungen, Bedrohungen oder Nötigungen sein. Gerade Bedrohungen finden auch im digitalen Raum statt. 

Wie viele Mitarbeitende hat ZEBRA und aus welchen Bereichen kommen diese? 

Aktuell arbeiten bei ZEBRA fünf Berater:innen für das gesamte Gebiet Schleswig-Holstein. Wir sind ein multiprofessionelles Team aus Sozialarbeiter:innen, Pädagog:innen und Sozialwissenschaftler:innen und bringen alle unterschiedliche Vorerfahrungen und Perspektiven auf die Thematik mit. So können wir uns gut ergänzen. 

Was ist das Ziel von ZEBRA? 

Auf einer individuellen Ebene ist unser Ziel, Betroffene rechter Angriffe in Krisensituationen zu unterstützen und ihnen dabei zu helfen, ihre Handlungsräume zu erweitern. Dazu kommt, dass wir Betroffene bei der Selbstartikulation unterstützen möchten, um dadurch einen Solidarisierungsprozess in der Gesellschaft anzustoßen. Es kommt immer wieder vor, dass Betroffene mit dem, was ihnen passiert ist, an die Öffentlichkeit gehen wollen oder Forderungen haben. Auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene ist es unser Ziel, dass alle Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen erhalten. 

Welche Unterstützung bietet ihr Betroffenen und wie können diese sich an euch wenden? 

Die Unterstützung ist immer abhängig vom Einzelfall. Wir stehen bei unserer Arbeit immer an der Seite der Betroffenen. Ihre Bedürfnisse und Perspektiven stehen für uns bei allem, was wir tun, im Mittelpunkt. Allgemein bieten wir eine psychosoziale Beratung an. Das heißt, wir unterstützen bei der Bewältigung der psychischen und emotionalen Angriffsfolgen. Wir informieren zudem über juristische und finanzielle Möglichkeiten, wie eine Anzeige zu stellen oder über Entschädigungszahlungen. Auch bei der Suche nach Psychotherapeut:innen, Dolmetscher:innen oder Anwält:innen helfen wir weiter. Bei Bedarf begleiten wir Betroffene zu Behörden, wie zur Polizei oder zu Gerichtsverfahren. Unser Angebot ist grundsätzlich kostenlos, sowohl die Beratung als auch die Begleitung sind auf Wunsch auch anonym möglich.  

Am besten sind wir telefonisch oder per Mail an info@zebraev.de erreichbar. Wir bieten außerdem alle vierzehn Tage eine offene Sprechstunde an der CAU an. Aktuell ist diese jeden zweiten und vierten Montag im Monat, jeweils von 14 bis 16 Uhr. Normalerweise sitzen wir im Büro des AStAs und man könnte einfach vorbeikommen. Das ist aktuell durch Corona leider nicht möglich. Im Moment bieten wir daher diese Beratungen digital in Form von Videokonferenzen an.  

Wie hat sich eure Arbeit durch die Corona-Pandemie verändert? 

Es beeinflusst unsere Arbeit sehr, dass die Gespräche auf digitale Kommunikation umgestellt werden mussten. Wir haben zudem festgestellt, dass insbesondere Geflüchtete, die sich an uns wenden, durch Corona ein besonders hohes zusätzliches Maß an Isolation erleben. Das erschwert die Verarbeitung von Tatfolgen und die Bewältigung der Erlebnisse. Für uns ist es durch die aktuelle Situation außerdem deutlich schwieriger geworden, Begleitung zu Gerichtsverfahren oder Arztterminen anzubieten. 

Wie können sich Zeug:innen rechter Angriffe verhalten, um den Betroffenen zu helfen?   

Das ist sehr situationsabhängig. Es kann hilfreich sein, Aufmerksamkeit zu erregen und gegebenenfalls auch die Polizei zu rufen. Je nach Situation können Zeug:innen eingreifen, aber immer ohne sich dabei selbst in Gefahr zu bringen. Was Zeug:innen auf jeden Fall tun können, ist, Betroffene im Nachhinein anzusprechen, sicher zu gehen, dass sie nicht alleine sind und Unterstützung und Solidarität zeigen. Außerdem können sie natürlich über Unterstützungsmöglichkeiten von spezialisierten Beratungsstellen wie uns informieren. Generell hilft es uns, wenn möglichst viele Menschen von ZEBRA wissen, damit Betroffene durch ihr direktes soziales Umfeld über uns informiert werden und wir sie so mit unserem Angebot noch besser erreichen können. 

Kann im Land Schleswig-Holstein noch mehr getan werden, um Betroffene besser zu schützen und zu unterstützen?  

Ein Teil unseres Tätigkeitsfeldes besteht in einem systematischen und unabhängigen Monitoring von rechten Angriffen in Schleswig-Holstein. Das machen wir seit Anfang des Jahres 2017. Im Vergleich zwischen den von uns dokumentierten und den polizeilich erfassten Zahlen wird immer wieder deutlich, dass die Polizei nach wie vor nicht alle rechts motivierten Taten als solche erkennt. Da sehen wir Verbesserungsbedarf. Das könnte zum Beispiel geschehen, indem Fortbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten zu rechter Gewalt in die Polizeiausbildung integriert würden. Darüber hinaus fordern wir ein Bleiberecht für Betroffene von rassistischen Angriffen. Auch in Schleswig-Holstein werden immer wieder Geflüchtete angegriffen. Im Beratungskontext erleben wir dann, dass die unsichere Bleibeperspektive es sehr schwierig macht, die Tatfolgen und das Erlebte zu verarbeiten. Aus dieser Sicht wäre es dringend erforderlich, ein Bleiberecht umzusetzen. Zusätzlich wäre dies ein klares Zeichen dafür, dass in Schleswig-Holstein rechte Gewalttaten nicht geduldet werden. 

Plant ihr bestimmte Vorträge oder Veranstaltungen für die nähere Zukunft? 

Wir bieten regelmäßig Veranstaltungen an der CAU an, bei denen wir eng mit dem AStA und mit Hochschulgruppen der Uni kooperieren. Dabei decken wir verschiedene Schwerpunkte rund um das Thema rechte Gewalt ab. Auch in diesem und im kommenden Semester wird es wieder Veranstaltungen von uns geben. Diese sind noch in Planung, aber auf unseren Social Media Kanälen, insbesondere über Twitter und Instagram, informieren wir darüber. Dort kann man sich gerne auf dem Laufenden halten. 

Vielen Dank für das Gespräch! 

http://www.der-albrecht.net/die-perspektive-der-betroffenen

Diskussion zu rechter Gewalt

Was ist rechte Gewalt? Gegen wen richtet sie sich? Gibt es rechte Gewalt auch auf dem Campus?

Diese und viele weitere Fragen diskutieren Annika und Corni mit Kai Stoltmann, Berater beim Zentrum für Betroffene rechter Angriffe, Eddi Steinfeldt-Mehrtens, Beauftragte_r für Diversität an der CAU und Keniya Kilicikan von der Hochschulgruppe EmBIPoC.

Außerdem schauen wir auf das aktuelle Monitoring zu rechten Angriffen in Schleswig-Holstein, das das Zentrum für Betroffene rechter Angriffe am 19. April 2021 veröffentlichte.

www.campusradiokiel.de/diskussion-zu-rechter-gewalt

Monitoring 2021: Kein Rückgang rechter Gewalt in Schleswig-Holstein

Rechte Gewalttaten bleiben im Bundesland auf einem konstant hohen Niveau, stellt das Zentrum für Betroffene rechter Angriffe (ZEBRA) im Monitoring-Bericht für 2021 fest. Die Hemmschwelle rechtsmotivierter Täter:innen sei zudem niedrigschwellig, auch gegenüber Kindern. Und die Zahlen zeigen: rechte Gewalt ist nicht bloß ein „ostdeutsches Phänomen“.

Die Zahlen sind kein Grund zur Freude: Am gestrigen Nachmittag, 28. April 2022, stellte das Zentrum für Betroffene rechter Angriffe (ZEBRA) die Ergebnisse ihres landesweiten Monitorings „Rechter Gewalttaten in Schleswig-Holstein“ für das Jahr 2021 vor. Rechte Gewalttaten bleiben auf einem konstant hohen Niveau, auch die Verteilung der Tatmotive bleibt etwa gleich. 

Insgesamt wurden 77 Tatbestände gezählt, darunter 72 Prozent Körperverletzung, 19 Prozent massive Sachbeschädigung und sechs Prozent Nötigung oder Bedrohung. Insgesamt sind 148 Menschen von rechten Gewalttaten betroffen. Die Tatmotivation wird in dem Monitoring von ZEBRA in Rassismus, Antisemitismus und „Politische Gegner:innen“ aufgeteilt. Rassismus bleibt wie auch in den vergangenen Jahren das größte Tatmotiv mit einer Mehrheit von 61 Prozent der Fälle. Antisemitismus bildete bei vier Prozent und die Einordnung als „Politische Gegner:innen“ bei 35 Prozent der erfassten Fälle das Tatmotiv. 

Die Mehrheit der Betroffenen, 64 Prozent, sind männlich. Weibliche Betroffene machen 29 Prozent aus, die restlichen sieben Prozent bleiben unbekannt. Bei 31 Prozent der betroffenen Personen handelt es sich um Kinder (bis 13 Jahre) oder Jugendliche (bis 18 Jahre). ZEBRA-Projektleiterin Annika Vajen betont bezüglich Angriffen auf Kinder und Jugendliche die niedrige Hemmschwelle von rechten Täter:innen. So ereignete sich beispielsweise im Juli 2021 in Lübeck ein rassistisch motivierter Angriff zweier organisierter Neonazis auf eine Familie. Mehrere Familienmitglieder, darunter auch Kinder, wurden von den Angreifenden durch den Einsatz von Pfefferspray verletzt. 

Im Vergleich zu den Vorjahren bleiben die erfassten Gewalttaten in Schleswig-Holstein nicht nur auf einem konstant hohen Niveau (2020: 79 Taten, 153 Betroffene, 2019: 57 Taten, 113 Betroffene), sondern zeigen sich auf flächendeckend im gesamten Bundesland. Zwar können vereinzelte Schwerpunkte in städtischen Ballungsräumen wie Kiel, Lübeck, Neumünster, Flensburg und im Landkreis Segeberg festgestellt werden, doch es wurde in jedem Landkreis mindestens ein Vorfall registriert. Das vermehrte Vorkommen von rechten Gewalttaten Ballungsgebieten wird vom ZEBRA mit der erhöhten Dichte von Verletzungspartner:innen und passenden Multiplikatoren erklärt. 

In Bezug auf die erhobenen Zahlen vor der Corona-Pandemie stellt das Monitoring von ZEBRA einen Anstieg der Gewalttaten im Wohnumfeld und im Umfeld von Demonstrationen fest. Im ersten und vierten Quartal des Jahres 2021 wurde eine doppelte Menge von Gewalttaten im Kontext von Demonstrationsgeschehen gegenüber vor-pandemischen Zahlen festgestellt. Welche Demonstrationen konkret betroffen waren, kann ZEBRA nicht angeben, dennoch räumte die Sprecherin ein, dass in diesen Zeiträumen vermehrt Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen stattgefunden haben. Diesen pandemiebedingten Anstiegen gegenüber sank die Anzahl rechter Gewalttaten am Arbeitsplatz, in Räumen politischer Organisation und öffentlich zugänglichen Räumen. 

Es handle sich im Vergleich mit ostdeutschen Bundesländern, wo ein ähnliches Monitoring durchgeführt wird, um niedrige Zahlen, dennoch zeigen die Ergebnisse deutlich, dass „rechte Gewalt kein ostdeutsches Phänomen ist, sondern in der gesamten Bundesrepublik verankert ist“, unterstreicht Vajen. Darüber hinaus seien die erfassten Vorfälle lediglich die „Spitze des Eisbergs“, denn man müsse weiterhin von einem großen Dunkelfeld in Schleswig-Holstein ausgehen. 

Das seit 2017 durchgeführte Monitoring von ZEBRA liegt den Kriterien des „Verband der Beratungsstellen für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt“ (VBRG) zugrunde. Die kontinuierliche Sichtung und Dokumentation der Vorfälle in Schleswig-Holstein findet auf der Basis von Quellen wie Zeitungsberichten, Meldungen in den sozialen Medien, Pressemitteilungen von Ermittlungsbehörden und Hinweisen von Betroffenen oder Communitys statt. Erfasste Meldungen werden von ZEBRA recherchiert, weitere Quellen befragt und die Plausibilität der Einordnung so geprüft. 

Die Statistik von ZEBRA wird zwar mit den Daten des LKAs abgeglichen, doch beim Vergleich der aktuellen Zahlen ergibt sich eine relativ große Differenz. Aus Angaben zu kleinen Anfragen von Landtagsabgeordneten zählt das LKA aktuell lediglich 37 Fälle rechter Gewalttaten. Es sei hierbei zwar erfahrungsgemäß nicht ausgeschlossen, dass diese Zahl noch steigt, doch die Differenz lässt sich dennoch damit zu erklären, dass nicht alle Vorfälle tatsächlich bei der Polizei angezeigt werden. Oftmals bestünden „viele Hemmschwellen für Betroffene“, erklärt Vajen. Vielfältige Gründe, wie beispielsweise schlechte Erfahrungen mit der Polizei oder die Angst vor Rache von Täter:innen verhindern oftmals eine Anzeige. Darüber hinaus stellt ZEBRA die Wahrnehmung der Betroffenen ins Zentrum ihrer Bewertung der Vorfälle: „Die Anerkennung einer politisch rechten Tatmotivation kann für die Betroffenen zentral für die Verarbeitung der Tat sein. Und nur wenn die Gesellschaft die politische Dimension solcher Taten anerkennt, kann sie sich auch mit den Betroffenen solidarisch zeigen“, betont Annika Vajen.

https://www.belltower.news/monitoring-2021-kein-rueckgang-rechter-gewalt-in-schleswig-holstein-130581/

Schleswig-Holstein – Gewalt von rechts trifft auch Kinder

Laut einer neuen Erhebung sei im vergangenen Jahr jedes fünfte Opfer rechter Gewalt in Schleswig-Holstein minderjährig gewesen.

Laut einer neuen Erhebung sei im vergangenen Jahr jedes fünfte Opfer rechter Gewalt in Schleswig-Holstein minderjährig gewesen. Das Zentrum für Betroffene rechter Angriffe (ZEBRA) hat in Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr 77 rechte, rassistische und antisemitische Gewalttaten registriert. Davon seien 148 Menschen betroffen gewesen, hieß es in einer Internet-Veröffentlichung des Vereins am Donnerstag. Im Jahr zuvor waren 79 solcher Gewalttaten erfasst worden. 

In die Statistik gehen den Angaben zufolge Körperverletzungen, massive Sachbeschädigungen und andere Gewalttaten mit erheblichen Folgen ein, denen eine politisch rechte, rassistische oder antisemitische Motivation zugrunde liegt. 2021 seien auch 31 Kinder und Jugendliche von rechten Gewalttaten betroffen gewesen. 

„Die Ergebnisse des Monitorings sind erschreckend“, kommentierte Grünen-Landtagsfraktionsvize Lasse Petersdotter. Die Zahl rechter Gewalttaten bleibe auf einem konstant hohen Niveau. „Wir müssen den Kampf gegen Rechtsextremismus noch stärker und entschiedener führen.“ Die jüngsten Erkenntnisse des Verfassungsschutzes über Unterwanderung von Corona-Protesten durch Rechtsextremisten machten deutlich, „dass Rechtsextremismus nicht nur Springerstiefel und Glatze bedeutet, sondern mitten in unserer Gesellschaft existiert“.

Gewalt von rechts außen bleibe eine reale Gefahr für Demokraten, Migranten und Angehörige von Minderheiten jeder Art, meinte der SPD-Landtagsabgeordnete Tobias von Pein. Die Dunkelziffer bei Gewalttaten sei sehr hoch, Enthemmung nehme zu. „Auch viele Kinder und Jugendliche wurden aufgrund rassistischer Zuschreibungen angegriffen, weil sie die „falsche“ Hautfarbe hatten.“ Zwei Drittel der Übergriffe seien migrantenfeindlich und antisemitisch motiviert.

https://www.abendblatt.de/region/schleswig-holstein/article235200167/Schleswig-Holstein-Gewalt-von-rechts-trifft-auch-Kinder.html

Gewalt von rechts nimmt zu: Das Monitoring der Kieler Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt zeigt Abweichungen zu Polizei-Statistiken

Am Rand einer AfD-Veranstaltung fährt ein Wagen in die Gegendemonstration, vier Personen werden verletzt – einer der Vorfälle des Jahres 2020, die das Zentrum für Betroffene rechter Angriffe (Zebra) als rechts-motivierte Tat zählte. Die Jahresstatistik, die der Zebra-Berater Kai Stoltmann am Montag vorstellte, umfasste 79 rechte, rassistische und antisemitische Gewalttaten. 2019 hatte Zebra 57 Fälle gezählt, durch Nachmeldungen kamen 64 zusammen. Auch für 2020 rechnet Stoltmann mit Nachmeldungen. „Rechte Gewalt ist kein ostdeutsches Phänomen, sondern überall verankert“, sagte der Berater. […]

Vollständiger Artikel unter: taz.de/Archiv-Suche/!5767035

Segeberg und Stormarn sind Hotspots rechter Gewalt

Im vergangenen Jahr wurden zwei Drittel der Opfer körperlich verletzt. Der Betroffenenverein Zebra mahnt: Der rechtsextreme „Aryan Circle“ ist in der Region weiter sehr aktiv.

Im Jahr 2019 galt Segeberg plötzlich als Brennpunkt rassistischer Gewalt. Ein Jahr später ist der Anstieg der Taten zwar nicht so massiv gewesen, dennoch bleibt der Kreis mit rechter und rassistischer Gewalt landesweit im Fokus. Aktuelle Schwerpunkte sind außerdem der Kreis Stormarn sowie die Städte Neumünster und Kiel. Das teilt das Zentrum für Betroffene rechter Angriffe (Zebra) in Kiel mit.

Vollständiger Artikel unter: ln-online.de/Lokales/Segeberg/Segeberg-und-Stormarn-sind-Hotspots-rechter-Gewalt

„Die Angst verfolgt uns bis heute“ – Ausstellung zu rechten Angriffen in Schleswig-Holstein im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus startet am Montag in Flensburg

Gemeinsame Pressemitteilung zusammen mit den Regionalen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus vom 19.03. 2021

Flensburg. Ein Geflüchteter wird rassistisch beschimpft und zusammengeschlagen, ein Banner von linken Klimaaktivist*innen angezündet, ein jüdisches Ehepaar mit Bierflaschen beworfen: Die Zahl solcher rassistischen, antisemitischen und rechten Angriffe ist auch in Schleswig-Holstein seit Jahren auf einem konstant hohen Niveau, doch die Betroffenen finden in der Gesellschaft nur selten Gehör. Die Ausstellung „Die Angst verfolgt uns bis heute“ soll den Betroffenen eine Stimme geben. Sie zeigt, wie unterschiedlich rechte Gewalt in alltäglichen Situationen auftreten kann und welche Folgen sie hat.

Die Ausstellung startet am Montag, den 22. März 2021 und läuft bis Sonntag, den 4. April 2021 und wird außen im Schaufenster des ehemaligen Einrichtungshauses Carstens, Norderstraße 26-32, in Flensburg, gezeigt.

Die Regionalen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus des AWO Landesverbandes Schleswig-Holstein haben die Ausstellung gemeinsam mit zebra – Zentrum für Betroffene rechter Angriffe organisiert und im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus nach Flensburg geholt. „Gesellschaft und Politik müssen wachsam bleiben bei rechter Gewalt und Menschenfeindlichkeit. Das gilt auch für Schleswig-Holstein. Wir müssen denen, die davon betroffen sind eine Stimme geben und das gemeinsame Engagement gegen Hass, Ausgrenzung und Gewalt verstärken“, sagt der Vorstandsvorsitzende der AWO Schleswig-Holstein, Michael Selck.

Der SBV stellt den Organisatoren zwei seiner Gewerbeflächen in der Norderstraße mietfrei zur Verfügung. „Wir unterstützen die Ausstellung gern. Beim SBV sind Menschen aller Nationalitäten herzlich willkommen. Uns als Genossenschaft sind ein friedliches Miteinander und gegenseitige Wertschätzung wichtig, Diskriminierung, Intoleranz oder gar Gewalt haben da überhaupt keinen Platz“, sagt SBV-Vorstandsvorsitzender Jürgen Möller.

Für die Ausstellung hat zebra – Zentrum für Betroffene rechter Angriffe mit Betroffenen zwischen Flensburg und Pinneberg gesprochen, die ihre Geschichte der Öffentlichkeit erzählen. „Die Zahl rechter Angriffe befindet sich in Schleswig-Holstein trotz Corona auf einem anhaltend hohen Niveau. Unsere Ausstellung soll das Bewusstsein für dieses Problem stärken und gleichzeitig den Betroffenen von rechten Angriffen Gehör verschaffen“, sagt Dr. Kai Stoltmann, Berater bei Zebra.

Jahresrückblick 2019 – Schleswig-Holstein: Identitäre auf dem Rückzug und ein verhindertes Freiwild-Konzert

Was wird uns von 2019 in Erinnerung bleiben? Für den Belltower.News-Jahresrückblick befragen wir zivilgesellschaftliche Initiativen und Akteur*innen über die Situation in ihrem Bundesland. Torsten Nagel, Regionales Beratungsteams gegen Rechstextremismus der AWO, Lasse von Bergen, Aktion Kinder- und Jugendschutz Schleswig-Holstein e.V. und Kai Stoltmann, zebra – Zentrum für Betroffene rechter Angriffe haben mit uns über Schleswig-Holstein gesprochen. Wie im Rest von Deutschland, ist auch in hohen Norden die Stimmung rassistischer und ausgrenzender geworden. Schon Jugendliche sind zum Teil in rechtsextremen Strukturen organisiert. Aber in Schlewig-Holstein regt sich auch die Zivilgesellschaft und positioniert sich gegen rechte Konzerte und Tattoostudios mit NPD-Verbindungen.

Belltower.News: Was waren in 2019 die wichtigsten Ereignisse in Sachen Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein?
2019 ist der bekannte Rechtsextremist Bernd Tödter wieder zurück nach Bad Segeberg in Schleswig-Holstein gezogen und rekrutiert seitdem massiv Jugendliche im öffentlichen Raum und auch auf Schulhöfen. Er baut gerade in Anlehnung an eine amerikanische Organisation eine Gruppe namens „Aryan Circle“ auf. Das ist aktuell das Thema, das die Region in Atem hält. Tödter halten wir ohnehin für gefährlich, dazu kommt seine rechtsextreme Ideologie.

In Bad Segeberg werden Vertreter der Zivilgesellschaft massiv unter Druck gesetzt. Es kommt zu Bedrohungen und tätlichen Angriffen, die sich meist gegen politische Gegner und Menschen richten, die von Rassismus betroffen sind. Durch die Aktivitäten dieser extrem rechten Gruppe rechnet unsere Opferberatungsstelle auch weiterhin mit großen Unterstützungsbedarfen aus dem Kreis Segeberg.

Allgemein haben sich die Einstellungen gegenüber Geflüchteten oder gegenüber People of Colour nach rechts verschoben, die Stimmung ist rassistischer geworden. Diese Einstellungen haben sich in der Mitte der Gesellschaft verfestigt. Dadurch gibt es schnelle und einfache Andockmöglichkeiten bei Jugendlichen. Das ist ein Boden auf dem Agitation erfolgreich ist.

Merkt ihr das in eurer täglichen Arbeit?
Es gibt deutlich mehr Fälle in der Beratungsarbeit, bei denen es um rassistische Vorfälle an Schulen oder Betrieben geht. Mitschüler*innen mit Migrationshintergrund werden zum Teil aufs übelste diskriminiert. In WhatsApp-Gruppen von Schüler*innen wird immer wieder der Nationalsozialismus verherrlicht und im Nachgang dann gegen Geflüchtete und eben auch gegen Mitschüler*innen gehetzt.

Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen hat in Schleswig-Holstein für eine Studie Schüler*innen von der siebten bis zur neunten Klasse zu Einstellungsmustern und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit befragt. Die Ergebnisse sind erschreckend und leider deutlich. Es zeigt sich, dass 8,8 Prozent der Befragten Mitglied in einer rechtsextremen Kameradschaft, Clique oder Gruppierung sind. Dabei zeigt sich auch, dass Rechtsextreme weiterhin auf Schulhöfen agitieren.

In der gleichen Studie berichten 22,3 Prozent der Schüler, dass sie bestimmte Orte meiden, damit sie keine Probleme bekommen. Somit schaffen rechte und rassistische Angriffe Angsträume, die sich negativ auf die Lebensqualität der Betroffenen auswirken. Diesbezüglich belegen die Zahlen der Regionalanalyse vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen eine erschreckende Dimension.

Wie sieht es mit Rechtsrock und ähnlichen Veranstaltungen in Schleswig-Holstein aus?
Neumünster hat das Kulturzentrum Titanic, ein dezidiert rechter Raum, der als Durchlauferhitzer für den Nachwuchs funktioniert. Dort finden Konzerte statt, ansonsten ist es aber auch ein Treffpunkt. Die Bands, die dort spielen, kommen zum Teil auch aus dem Blood & Honour-Umfeld. Dazu kommen Anmietungsversuche für Konzerte oder andere Veranstaltungen. Generell versuchen die Akteur*innen sich ein nach außen bürgerliches Image zu geben und darüber mit Menschen in Kontakt zu kommen. Ähnliche Strategien sieht man zum Beispiel in rechten Kampfsportgruppen, wo ein Raum geboten wird, der dann aber auch zur politischen Agitation nach rechtsaußen benutzt wird.

Zusätzlich boten aber auch Konzerte von bekannten Bands wie Frei.Wild oder den Böhsen Onkelz eine Grauzone, in welcher Rechtsextreme sich relativ sicher fühlen und auch entsprechend offen auftreten konnten.

Wer sind die wichtigsten Rechtsaußen-Akteure?
Es sind eher klassische Neonazi-Strukturen, die sich weiter halten, meist mit relativ wenigen Akteuren, die eher regional arbeiten. Dabei gibt es aber Verbindungen nach Kiel, Lübeck, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. Es gibt Verbindungslinien zwischen dem klassischen, älteren, rechtsextremen Milieu, die gute Kontakte haben und sich eher im Hintergrund aufhalten und zum Beispiel dem Rocker-Milieu nahestehen. Das zeigt sich ganz aktuell um den Fall eines Tattoo-Studios in einem Einkaufszentrum in Neumünster. Dort soll der frühere NPD-Landesvorsitzende Peter Borchert die Fäden in der Hand halten. Dem Studio wurde jetzt die Ladenfläche gekündigt.

Die Identitäre Bewegung ist im Land in diesem Jahr eher zurückhaltend gewesen. In Flensburg tauchte in diesem Jahr ein Kleinstverlag auf, in dem mit „Die Abenteuer von La Banda Reconquista: 3,2,1 – Peng!“ bisher ein Identitären Comic erschien. In Kiel gab es im Spätsommer im Rahmen einer bundesweiten Aktionswoche eine Flyer-Aktion über angebliche „No-Go-Areas“. Aber ansonsten ist die IB im Bundesland eher schwach aufgestellt.

In Schleswig-Holstein ist vor allem in Neumünster die NPD weiter aktiv. In Schleswig-Holstein haben wir einige rechtsextreme Verlage mit bundesweiter Ausstrahlungskraft.

Wie gibt sich die AfD in Schleswig-Holstein?
Mit der mittlerweile rausgeworfenen Doris von Sayn Wittgenstein gab es eine Vorsitzende mit ganz offenen Beziehungen zum Rechtsextremismus. Innerhalb der Partei gibt es offenbar Machtkämpfe zwischen angeblich gemäßigten Teilen und Mitgliedern, die der ehemaligen Vorsitzenden nahestehen. Selbst nachdem sie die Partei verlassen musste, haben sich noch ganze Kreisverbände zu ihr bekannt. Ferner positionieren sich einige Kreisverbände auf der Linie des rechtsextremen Flügels und posten auf den jeweiligen Facebook-Seiten mitunter massiv menschenverachtende und verschwörungstheoretische Beiträge.

Die Partei veranstaltet im Landtag regelmäßig eine Veranstaltung namens „Fraktion im Dialog“ und lädt immer wieder Redner ein, die der Neuen Rechten zuzuordnen sind.

Der Pressesprecher der AfD ist auch der Sprecher eines Vereins namens „Echte Toleranz“, der sich vor allem gegen die sogenannten „Schlau“-Workshops einsetzt, mit denen an Schulen Wissen zum Thema sexuelle Vielfalt vermittelt werden soll.

Die Partei versucht mit Frauenhäusern oder Frauenberatungsstellen Allianzen zu bilden, bei denen es in der Regel darum geht, Gewalt gegen Frauen als reines Problem von Zugewanderten darzustellen. Erfolgreich ist das weitestgehend nicht, es gibt da in der Regel sehr klare fundierte Positionierungen von Beratungsstellen. Das wird sicherlich ein Thema sein, dass uns auch im nächsten Jahr weiterbeschäftigen wird.

Gab es positive Ereignisse für euch?
Anfang des Jahres sollte in Flensburg ein Konzert der Band Freiwild stattfinden. Dagegen hat sich sehr schnell und sehr massiv Widerstand geregt. Es gab ein großes Bündnis, „Kein Hafen für Nationalismus“. Die Oberbürgermeisterin Simone Lange hat sich sehr klar positioniert und sich geweigert einer rechtsaffinen Band wie Freiwild städtische Räume zur Verfügung zu stellen, weil die vertretenen Meinungen konträr zum Image von Flensburg stehen. Freiwild konnte dann auch tatsächlich nicht in der Flensburger Arena auftreten. Die Schattenseite der Geschichte ist, dass die Band vor kleinerem Publikum im Rahmen einer „Kundgebung“ im April auftrat und ein paar Songs spielte. Trotzdem ist das ein gutes Beispiel für andere Kommunen.

Aus Betroffenenperspektive würden mir aus dem Kreis Segeberg positive Ereignisse einfallen. So hat sich etwa in der nahegelegenen Gemeinde Sülfeld ein breites Bündnis mit den Opfern von rechter Gewalt solidarisiert. Getragen von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Akteuren wurden beispielsweise rechte Sticker von „Aryan Circle“ wieder entfernt. Bei einem Spiel des örtlichen Handball-Frauenteams haben 800 Menschen ein Zeichen für eine offene Zivilgesellschaft gesetzt und auch der Sülfelder Pfarrer hat sich mehrfach gegen rechte Gewalt positioniert, um den Betroffenen den Rücken zu stärken.

(https://www.belltower.news/jahresrueckblick-2019-schleswig-holstein-rechtsextreme-schuelerinnen-identitaere-auf-dem-rueckzug-und-ein-verhindertes-freiwild-konzert-94167/)

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Brennende Republik Deutschland

Am 18. Januar 2021 jährt sich der Brandanschlag in der Lübecker Hafenstraße zum 25. Mal. Die schwere Brandstiftung zu einer Zeit, als in der ganzen Republik Asylunterkünfte in Brand gesteckt wurden, ist bis heute ungenügend aufgeklärt, der Mord an zehn Menschen bis heute ungesühnt. Einseitige und von Pannen geprägte Ermittlungen werfen nach wie vor Fragen auf. Kristof Warda erinnert an die Geschehnisse im Januar 1996 und an die Geschichte rassistischer Gewalt in der alten und neuen Bundesrepublik

Vollständiger Artikel unter: https://schleswig-holstein.sh/blog/2020/12/06/brennende-republik-deutschland-luebecker-brandanschlag/ und https://schleswig-holstein.sh/blog/2020/12/06/rechte-angriffe-in-schleswig-holstein/